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Schulden ohne Suehne

Schulden ohne Suehne

Titel: Schulden ohne Suehne
Autoren: Kai A. Konrad , Holger Zschaepitz
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Frühjahr 2012 soll der permanente Rettungsschirm ESM zeitlich früher als ursprünglich geplant installiert werden; durch eine mögliche Gleichzeitigkeit von EFSF und ESM würde die Garantiesumme für ein Jahr verdoppelt. Würde sie in Anspruch genommen, wäre ein Auslaufen der EFSF wie geplant kaum möglich. Sollten EFSF und ESM kombiniert werden, könntedie Haftungssumme für Deutschland auf 400   Milliarden Euro steigen. 110 Diese Summe liegt deutlich über dem jährlichen Bundeshaushalt, der für 2012 auf 306,2   Milliarden veranschlagt wird. 111

Die EZB verliert ihre Unschuld
    In die Rettungsschirmpolitik wurde auch die Europäische Zentralbank (EZB) mit einbezogen. Schon am 10.   Mai 2010 begann die EZB ihre Aufkäufe von Staatsschuldtiteln. Inzwischen ist die EZB wohl zum größten Investor in europäischen Staatsschuldtiteln avanciert und löste sich von dem, was einst unantastbare Grundprinzipien sein sollten.
    An jenem zweiten Mai-Wochenende 2010 suchten der damalige EZ B-Präsident Jean-Claude Trichet und die Staats- und Regierungschefs der Eurozone zusammen mit ihren Finanzministern nach einer Lösung zur Rettung des Euro. Trichet hatte Europas Politikern zuvor beängstigende Schaubilder präsentiert, aus denen hervorging, dass Europa vor einer Art zweitem Lehman Brothers stand   – nur dass diesmal nicht bloß eine Bank, sondern ganze Staaten an den Abgrund geraten waren. 112 Nach einem dramatischen Verhandlungsmarathon einigten sich die Europäer schließlich auf einen milliardenschweren Rettungsschirm für kriselnde Euro-Staaten in Höhe von 750   Milliarden Euro. Und auch die EZB sagte Unterstützung zu. Die Zentralbanker erklärten sich bereit, übergangsweise Staatsanleihen der Schuldenstaaten aufzukaufen, um auf diese Weise die gewaltigen Zinskosten erträglicher zu machen. Wie Abbildung 5 verdeutlicht, handelte es sich keineswegs um eine vorübergehende Maßnahme. Bis zum Frühjahr 2012 kaufte die EZB Schuldtitel wackeliger Staaten im Volumen von knapp 220   Milliarden Euro auf.
    Im Verlauf der folgenden Monate traten erst der damalige Bundesbank-Präsident Axel Weber und anschließend der einstige EZ B-Chefvolkswirt Jürgen Stark zurück. Frustration über den Kurswechsel der EZB soll dabei eine wichtige Rolle gespielt haben.
    Ein Blick in die Bilanz der EZB offenbart den erschreckenden Umfang dieser Maßnahmen. Allein zwischen Juli 2011 und März2012 ist die Bilanzsumme um 50   Prozent angewachsen. Seit Ausbruch der Krise im Jahr 2007 hat sie sich innerhalb von fünf Jahren sogar fast verdreifacht. Im Frühjahr 2012 hatte die EZB Papiere im Buchwert von über drei Billionen Euro auf der Bilanz, was annähernd 30   Prozent der geballten Wirtschaftsleistung der Eurozone entsprach. Davon steckten allein 220   Milliarden Euro in Staatsanleihen der wackeligen Peripherieländer   – Papiere, von denen niemand weiß, wie viel diese tatsächlich noch wert sind. 113
    Unter dem einstigen Goldman-Sachs-Investmentbanker Mario Draghi, der im November 2011   Jean-Claude Trichet als Präsident der EZB ablöste, erweiterte die EZB ihre Rettungsaktionen noch auf eine andere Weise. Ende Dezember 2011 und noch mal zwei Monate später bot die EZB den Banken Kredite bei der EZB für eine Laufzeit von drei Jahren zum Festzins von gerade einmal einem Prozent an. Die Banken ließen sich nicht lange bitten und haben sich in zwei Tranchen mehr als eine Billion Euro ausgeliehen. 114 Für dieses Geld mussten sie bei der EZB Sicherheiten hinterlegen. Die Anforderungen an derartige Sicherheiten wurden seit dem Ausbruch der Krise mehrfach herabgestuft. Als Sicherheiten für die Liquidität können die Banken beispielsweise Schuldverschreibungen europäischer Staaten nutzen, die sie mit dem frisch geliehenen Geld kaufen konnten. Ein gutes Geschäft für die Banken: Kauften diese beispielsweise mit den Krediten Staatsschuldtitel, die sich mit fünf Prozent verzinsen, verdienen die Banken an dieser Transaktion in den drei Jahren etwa 40   Milliarden Euro pro Jahr. Ein tolles Geschenk, das zumindest vordergründig auch die Staaten freut, deren Kreditgeschäft ins Stocken geraten ist, und die sich nun einer Billion Euro neuen Kreditangebots gegenüber sehen.
    An den Märkten wurden solche Geschäfte unter dem Namen Sarko-Trade bekannt. Der damalige französische Präsident Nikolas Sarkozy sprach ungewöhnlich deutlich aus, was er sich von den Kreditinstituten als Gegenleistung für die Aktion im Dezember 2011
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