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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen
Autoren: Krischan Koch
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    FONDAMENTA DELLA MISERICORDIA. Der auf die Hauswand gemalte Name flog an Harry Oldenburg vorüber, als er mit viel zu hoher Geschwindigkeit in den größeren Kanal einbog. Ganz knapp bekam er die Kurve. Von seinem Motorboot aus konnte er die Schrift gerade noch erkennen. Verflucht noch mal, war er etwa wieder an derselben Stelle?
    Aus dem offenen Fenster des Eckhauses kam die heisere Stimme von Gianna Nannini. Jetzt fuhr er wieder unter der Inter-Mailand-Bettwäsche hindurch, die über dem Kanal zum Trocknen hing. Vor dem Restaurant etwas weiter hinten standen die Leute inzwischen unter den Sonnenschirmen und zeigten auf ihn. Dann kam die kleine Piazza mit der Bude in Sicht. Auf dem schmalen Kai liefen einige Leute wild gestikulierend auf und ab. Das waren die Besitzer des Bootes, das Harry gerade steuerte.
    »Venite! Venite! Ecco Gambadigesso!«, rief der Mann in dem knallblauen Shirt der Azzurri mit der Rückennummer drei. Harry hatte ihn hier in den letzten Tagen mehrfach sitzen sehen.
    Tatsächlich! Jetzt war sich Harry sicher: Er war schon wieder auf diesem idiotischen Rio della Misericordia gelandet.
    Da tauchte hinter ihm erneut das schnittige Boot des italienischen Commissario auf. Harry drehte hektisch an dem Gasgriff des Außenborders. Die nagelnde Maschine verschluckte sich kurz mit einem nach Benzin stinkenden Puffen. Dann nahm der alte Kahn richtig Fahrt auf. Die Bugwelle hinter ihm schwappte über den Gehweg der Fondamenta, sodass das japanische Touristenpaar juchzend zur Seite hüpfen musste. Der Abstand zu dem schnieken Holzboot des Kommissars hatte sich trotzdem verringert.
     
    Es war offensichtlich doch keine so gute Idee gewesen, sich von diesen Typen an der kleinen Piazza das Boot »auszuleihen«. Aber warum musste sein Besitzer auch unbedingt den Motor laufen lassen, nachdem er an den Fondamenta festgemacht hatte? Und Harry verließ langsam die Kraft. Der Assistent des Commissario, dieser kleine, aber schwergewichtige Ispettore in der blauen Uniform mit dem weißen Gürtel quer über der Brust und den roten Streifen an den Hosenbeinen, war ihm bei der Verfolgungsjagd durch die Gassen bedrohlich nahe gekommen. Das Gipsbein behinderte Harry einfach zu sehr und er war auf den vielen kleinen Treppen mächtig aus der Puste gekommen. Sollte der geniale Einfall mit dem Gehgips ihn jetzt womöglich Kopf und Kragen kosten?
    Da tauchte plötzlich die kleine Piazza auf, die er in den letzten Tagen schon etliche Male überquert hatte. Neben einer Bude direkt am Kanal hatten immer dieselben Männer in Sportklamotten unter Sonnenschirmen gesessen, Sprizz getrunken und sich lautstark unterhalten. Und heute lag praktischerweise auch noch dieses Boot mit laufendem Motor am Kai. Harry musste einfach nur einsteigen. Die Typen reagierten erst, als Harry das Boot losmachte und ablegte. Da sprang der Mann in dem azurblauen Shirt mit der weißen Drei auf dem Rücken und dem Namen »Paolo Maldini« darunter aus seinem Gartenstuhl auf, ruderte wild mit den Armen und schrie Harry ein kehlig krächzendes »La barca è mia, stronzo! « hinterher.
     
    Bisher war eigentlich alles nach Plan gelaufen, zumindest sehr viel reibungsloser als bei Harry Oldenburgs erstem Kunstcoup, den er vor ein paar Jahren noch alleine und ziemlich chaotisch durchgezogen hatte. Den Diebstahl jetzt, in der Guggenheim-Foundation, hatte er gemeinsam mit seiner amerikanischen Freundin Zoe minutiös geplant. Und der Coup an sich hatte ja auch perfekt geklappt. Bis dann heute Morgen diese beiden Polizisten aufgekreuzt waren. Durch seine panikartige Flucht hatte sich Harry natürlich erst richtig verdächtig gemacht. Aber mit der italienischen Polizei wollte er auf keinen Fall etwas zu tun haben, und er wusste auch nicht, was dieser eitle Commissario Lompo im blauen Polohemd und sein rundlicher Ispettore mit dem kleinen Schnauzbart von ihm wollten. Er hatte eigentlich gar keine Zeit für solche Spielchen. Er müsste sich viel dringender um den Miró kümmern. Nicht dass der noch von den Ratten angefressen würde. Das wäre wirklich jammerschade.
    Doch vor allem machte er sich die größten Sorgen um Zoe, insbesondere nach dem bedrohlichen Anruf von Franca. Was führte diese Schlange Francesca Zenga im Schilde? Wo steckte Zoe bloß? Sie war vorhin nur kurz losgegangen, um nach einer farmacia zu suchen. Er musste sie unbedingt warnen. Harry konnte keinen klaren Gedanken fassen. Und dann diese unglaubliche Hitze!
     
    Eben hatte er das Keuchen des
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