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Schulden ohne Suehne

Schulden ohne Suehne

Titel: Schulden ohne Suehne
Autoren: Kai A. Konrad , Holger Zschaepitz
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unerwartetes Argument, das sie nennen, hat mit der Bildung von Erwartungen zu tun. Wenn die private Wirtschaft eines Staats die Zahlungsverweigerung als Anzeichen dafür wertet, dass es schlecht um die heimische Wirtschaft steht, gehen von der Zahlungsverweigerung möglicherweise negative Konjunktur- und Wachstumsimpulse im Inland aus. 251
    Je höher die fällige Staatsschuld ist, desto überzeugendere Gründe sind dafür erforderlich, dass ein Staat seine Schulden zurückzahlt.

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    16.   Die Ratingagenturen und das Rating-Paradox
    Es war nur ein Buchstabe. Doch der kam die Welt teuer zu stehen. Einen Wert von mehr als drei Billionen Dollar büßten die Finanzmärkte ein, als die Ratingagentur Standard & Poor’s (S & P) im August 2011 den Vereinigten Staaten ein A strich und damit die Bestnote AAA aberkannte. Innerhalb von nur einer Woche wurde durch die anschließenden Turbulenzen so viel Geld vernichtet wie Deutschland in einem Jahr an Wirtschaftsleistung erbringt. Die Bonitätsprüfer hatten in den Augen vieler ihren Ruf als Wohlstandsvernichter der Nationen gefestigt, als unbeaufsichtigter Akteur mit übergroßer Macht.
    Entsprechend groß war auch die Furcht, als abermals S & P Ende 2011 der gesamten Eurozone mit Herabstufung drohte. Mitte Januar machte die führende amerikanische Ratingagentur ihre Drohung tatsächlich wahr. Doch obwohl S & P gleich neun der siebzehn Euro-Mitglieder in ihrer Bonität herabstufte   – einige davon um mehrere Noten   –, blieb eine Panik wie im August 2011 aus. In einigen der abgestraften Länder verbesserten sich sogar die Finanzierungsbedingungen. Dabei steht ein schlechteres Rating eigentlich für eine niedrigere Bonität, was sich Investoren wiederum mit höheren Risikoaufschlägen bezahlen lassen. Welche Macht und Bedeutung haben die Ratingagenturen also tatsächlich?
    Ins Leben gerufen wurden Ratingagenturen als reine Dienstleister für Anleger, eine Art Informationsbeschaffer. Sie bewerteten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen   – später auch von Staaten. Als in den USA zum Ende des 19.   Jahrhunderts das Eisenbahnnetz ausgebaut wurde, brauchten die neuen Gesellschaften Geld. Die potenziellen Geldgeber hatten wenig Ahnung vom Eisenbahnwesen und wenig Lust oder Zeit, sich mit den Eigenheiten des Schienenbaus zu beschäftigen. Und so halfen private Agenturen aus. Gegen Gebühr prognostizierten sie die zukünftige Zahlungsfähigkeitder Eisenbahngesellschaften und damit das potenzielle Risiko, das Investoren mit einem bestimmten Schuldtitel eingehen. Zu den ersten seiner Zunft zählte Henry Varnum Poor, die ersten regulären Ratings vergab John Moody im Jahr 1909.   In seinem Handbuch Analyses of Railroad Instruments führte er ein einfaches Notensystem ein, das bis heute weitgehend verwendet wird. 298
    Die Höchstnote ist das »AAA«, bei der Agentur Moody’s Aaa (gesprochen »Dreifach-A« oder »Triple-A«). Sie steht für absolut zuverlässige Schuldner. Es folgen mit den Noten »AA«, »A« und »BBB« immer noch solide Schuldner, allerdings mit einer schon erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeit. Unterhalb von »BBB-« (Moody’s: »Baa3«) sind von den Bonitätswächtern jene Schuldner eingruppiert, deren Anleihen als spekulative Anlage betrachtet werden. Dieser spekulative Status, »Schrott« oder »Junk« im Jargon, reicht von BB (Ba1) bis B- (B3). Ab der Note »CCC« ist dann allergrößte Vorsicht geboten. D bedeutet Zahlungsausfall.
    Um ein häufig vorkommendes Missverständnis auszuräumen: Die Ratings sind keineswegs mit Kaufen- oder Verkaufen-Empfehlungen für die Anleihen einzelner Staaten zu verwechseln, wie sie Bankanalysten für Aktien aussprechen. Vielmehr versuchen die Kreditwächter schlicht die Wahrscheinlichkeit zu beziffern, dass bei einem bestimmten Schuldtitel alles glatt läuft, also der Schuldner stets pünktlich Zinsen zahlt und am Ende der Laufzeit den ausstehenden Betrag tilgt. Bei der Bewertung von Staaten gibt es einen Unterschied. Da für souveräne Nationen keine festen Insolvenzregeln existieren, müssen die Agenturen nicht allein beurteilen, ob ein Staat wirtschaftlich in der Lage ist, die finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen, sondern auch, ob er willens ist zu zahlen. Insgesamt gilt: Je geringer das Ausfallrisiko ist, desto besser fällt die Bonitätsnote aus.
    Vom Rating hängt es maßgeblich ab, ob sich ein Staat überhaupt verschulden kann und zu welchen Konditionen. Eine gute Bonitätsnote signalisiert eine hohe
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