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Schulden ohne Suehne

Schulden ohne Suehne

Titel: Schulden ohne Suehne
Autoren: Kai A. Konrad , Holger Zschaepitz
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zunächst der Kreditgeber ausgezahlt. Was übrig bleibt, erhält der Schuldner. In Kreditbeziehungen zwischen Privatpersonen kann ein Schuldner, der im Grunde noch über substantielles Vermögen verfügt, in der Regel nicht einfach ungestraft die Rückzahlung seiner Schulden verweigern. Die Gerichte sorgen dafür, dass die Kreditgeber zu ihrem Recht kommen   – es sei denn, der Schuldner ist wirklich mittellos.
    Staaten sind in einer anderen Situation. Staaten sind souverän. Ein Staat kann beschließen, dass er den Schuldendienst einstellt. Es ist schwierig für die Kreditgeber, vor Gericht zu ziehen und den Staat zur Zahlung zu zwingen, selbst wenn der Staat eigentlich zahlen kann. Welches Gericht wäre wohl zuständig? Und welchen Gerichtsvollzieherkönnte man mit der Pfändung beauftragen, wenn man ein Eigentumsrecht gegenüber einem Staat durchsetzen will?
    Dabei ist es nicht ganz gleichgültig, ob der Kreditgeber ein Bürger des betreffenden Staats ist oder ein Ausländer. Ein Bürger des zahlungsunwilligen Staats wird sich mit der Zahlungsverweigerung wohl abfinden müssen. Eigentlich ist die Zahlungsverweigerung dann nichts anderes als eine Sondersteuer oder eine Enteignung. Dafür kann ein Staat sogar eine gesetzliche Grundlage schaffen.
    Ein Ausländer kann immerhin seine eigene Regierung um Hilfe bitten. Verweigert also ein Staat seinen ausländischen Kreditgebern die Rückzahlung von Krediten, könnten diese Gläubiger ihre Regierung ins Boot holen. Vielleicht schickt die Regierung sogar einige Kanonenboote los oder versucht, auf andere Weise auf den Schuldnerstaat Druck auszuüben. Möglicherweise werden ausländische Besitztümer des zahlungsunwilligen Schuldners beschlagnahmt, etwa ein Flugzeug der entsprechenden staatlichen Fluglinie, das sich auf einem Auslandsflug befindet. Vielleicht ist der Schuldnerstaat dann hinreichend eingeschüchtert und zahlt. Vielleicht aber auch nicht. Im Vergleich mit einer Bank, deren Kunde seinen Hypothekenkredit nicht mehr zahlen kann, stehen die Chancen der ausländischen Kreditgeber jedenfalls weniger gut. So gesehen sind Unternehmen und Privatpersonen eigentlich die besseren Schuldner als Staaten.
    Jonathan Eaton und Mark Gersovitz haben im Anschluss an die Weltschuldenkrise der achtziger Jahre des 20.   Jahrhunderts die Frage gestellt, weshalb souveräne Staaten überhaupt Kredite erhalten bzw. warum man denn überhaupt darauf hoffen kann, dass ein Staat seine Schulden jemals wieder zurückzahlt. Mit dieser Frage haben sich seitdem viele Wirtschaftswissenschaftler sehr ernsthaft beschäftigt. 250 Und zwar deshalb, weil es zu dieser Frage nur wenige überzeugende Antworten gibt.
    Dass ein Staat auf Dauer vom internationalen Kreditmarkt abgeschnitten wird, weil er einmal seine Schulden nicht bezahlt, ist weder eine glaubhafte Bedrohung noch hilft diese Drohung als mögliche Erklärung. Könnte Herr K. sich zehn Millionen leihen und frei entscheiden, ob er den Kredit zurückzahlt, und wäre dieeinzige negative Konsequenz seiner Zahlungsverweigerung für Herrn K., dass man ihm danach nie wieder zehn Millionen (und ebenso wenig einen niedrigeren Betrag) leihen wird, was würde Herr K. tun? Ist es nicht besser, einmal zehn Millionen einfach so zu bekommen, als im Zeitverlauf immer mal wieder Kredite aufzunehmen und mit Zins und Tilgung zurückzuzahlen? Man mag einwenden, dass Herr K. irgendwann einmal im Regen stehen könnte und dass ihm der Erhalt seiner Kreditwürdigkeit einfach für diesen Fall sehr viel wert sein sollte. Aber erstens lässt sich mit zehn Millionen eine ganz vernünftige Liquiditätsplanung machen, so dass dieser Ernstfall noch unwahrscheinlicher wird. Und zweitens: Würde der Kreditberater von Herrn K. seinem Kunden im Ernstfall wirklich einen Kredit geben, wenn Herr K. ganz tief in finanziellen Schwierigkeiten steckt, nur weil er in der Vergangenheit immer seine Schulden bezahlt hat?
    Schulden zahlt man zurück (und das gilt auch für Staaten), wenn man die Konsequenzen fürchtet, die es hat, wenn man nicht bezahlt. Die Ökonomen Ugo Panizza, Federico Sturzenegger und Jeromin Zettelmeyer fassen die wichtigsten Gründe für Staaten zusammen: Staaten haben Anreize ihre Schulden zu bezahlen, wenn sie Reputationsverluste gegenüber dem Ausland fürchten oder bei Zahlungsverweigerung Handelssanktionen drohen. Auch mögliche drohende Gerichtsverfahren gegen den Schuldnerstaat in anderen Ländern können die Zahlungsbereitschaft erhöhen. Ein vielleicht
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