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Schulden ohne Suehne

Schulden ohne Suehne

Titel: Schulden ohne Suehne
Autoren: Kai A. Konrad , Holger Zschaepitz
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auch mit Staatskrediten, wenn man sich von der unrealistischen Vorstellung löst, dass alle Einwohner dieses Staats völlig gleich sind, was ihr Einkommen, Vermögen usw. angeht.
    Zum zweiten Aspekt: Das Eintreiben von Steuern ist keine einfache, und vor allem keine kostenfreie Angelegenheit. Der Staat, der seinen Bürgern Steuern abnehmen will, muss damit rechnen, dass es bei den Bürgern zu Ausweichreaktionen kommt. Die Bezieher von Zins- und Dividendeneinkommen reagieren auf eine Besteuerung von solchen Einkommen beispielsweise durch eine Veränderung ihrer Ersparnis. Oder sie wandern ab in andere Länder. Oder sie verlagern ihr Kapital, oder begehen Steuerflucht und Steuerhinterziehung. Das Gleiche gilt auch für andere Formenvon Steuern. Bezieher von Arbeitseinkommen beispielsweise reagieren auf höhere Lohnsteuern durch Veränderungen in ihrem Arbeitsangebot. Oder sie verzichten darauf, Zeit und Geld in eine gute Ausbildung zu stecken, weil ihnen die höheren Einkommen, die sie damit erzielen könnten, ohnehin wegbesteuert werden. Ähnliche Ausweichreaktionen lassen sich für praktisch alle relevanten Formen der Besteuerung beschreiben. Diese Ausweichreaktionen verringern in der Regel das Produktionspotential und führen die Ökonomie auf einen anderen, meist schwächeren Wachstumspfad. Beispielsweise unterbleiben Investitionen, wenn die besteuerten Erträge aus der Investition den Investor für seinen Aufwand, sein Risiko und seine Geduld nicht mehr ausreichend entschädigen.
    Ausweichreaktionen machen die Steuereintreibung zu einem kostspieligen und verlustreichen Geschäft. Die Unterhaltung einer Finanzbehörde kostet eine Menge Geld. Auch die Steuerzahler haben Kosten bei der Erstellung von Steuererklärungen und der Erfüllung ihrer Rechenschaftspflichten, etwa der Aufzeichnung wirtschaftlicher Vorgänge. Außerdem verändern Steuern das Verhalten der Steuerzahler. Gelegentlich setzen Investoren mehr Millionen in den Sand von Steuersparmodellen, als sie damit an Steuern sparen. Wohlstand geht durch Steuern nicht zuletzt da verloren, wo Steuerzahler wirtschaftlich eigentlich sinnlose, aber kostspielige Aktivitäten betreiben, nur weil sie dadurch persönlich weniger Steuern zahlen. Bei solchen Steuersparaktivitäten, sei es die Beschäftigung von Steuerberatern oder die Erfindung und Administration komplizierter, aber steuerlich vorteilhafter Unternehmenskonstruktionen, entstehen echte volkswirtschaftliche Kosten. Finanzwissenschaftler nennen die wirtschaftlichen Einbußen, die durch Steuern entstehen und die reinen Vermögensentzugseffekte der Besteuerung übersteigen, gerne »Zusatzlasten der Besteuerung«. Sie beziffern diese Kosten je nach Steuer auf eine Höhe, die mitunter größer sein kann als die tatsächlich abgeführten Steuern. 331
    Denken wir noch einmal an das Beispiel von Abba P.   Lerner, der die Privatwirtschaft einfach um den gesamten Betrag der Zinserträge von 300   Milliarden Dollar erleichtern möchte, um so dievon ihm gewünschte gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu erzeugen (genauso groß wie das Produktionspotential von 150   Milliarden Dollar in seinem Beispiel). Die Besitzer der Staatsschuldanleihen würden wohl vorhersehen, dass der Staat ihnen praktisch den gesamten Zinsertrag wegnehmen wird. Sie würden dem Staat das Geld unter diesen Bedingungen wohl gar nicht erst geben. Wie der Staat dann aber seine Staatsschuld weiter finanziert, wenn die privaten Kreditgeber in Streik treten, darüber schweigt Lerner in seinem Beispiel. Hier wird deutlich: Eine Staatsschuld, die über alle Grenzen wächst, stößt auf Finanzierbarkeitsgrenzen.
    Ausweichreaktionen, mit denen die Steuerzahler auf Steuern reagieren, beschränken auch das maximale Ausmaß, in dem der Staat zu einem bestimmten Zeitpunkt Steuern von seinen Steuerbürgern einziehen kann. Das Ausmaß an Lohnsteuern, das ein Staat realistisch betrachtet maximal einsammeln kann, ist wahrscheinlich nur ein kleiner Bruchteil des Betrags, der als gesamtes Arbeitseinkommen entstünde, wenn der Staat gar keine Einkommensteuer erhebt. Spätestens bei Steuersätzen in der Größenordnung von 80 bis 90   Prozent werden sich viele Arbeitnehmer überlegen, ob sie überhaupt noch Arbeit suchen und Geld verdienen sollen, da der Nettolohn bei solchen Steuersätzen nicht mehr über den Mindesteinkommensgrenzen liegt, die das Grundgesetz den Bürgern als Existenzminimum zusichert. Ähnliches gilt für die Anreize, sich für besser bezahlte
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