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Schulaufgaben

Schulaufgaben

Titel: Schulaufgaben
Autoren: Jutta Allmendinger
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den Wochenenden bleibt sie geschlossen. Susanne und Michael rechnen mit Kosten von 3500 DM im Monat. Das ist etwas mehr, als Susanne zu dieser Zeit verdient. Wer kann sich das schon leisten.
    Michael hatte die Idee und ergriff die Initiative. Er schlug vor, das Kind in der Kita anzumelden, bevor es überhaupt gezeugt war, und eine Kinderfrau auszuwählen, vier Monate vor der Geburt. Susanne macht das Angst. Sie will das alles anders. Nein, mit dem Kind zu Hause bleiben möchte sie nicht.
Keinesfalls. Das sagt sie auch Michael. Sie will wieder an den Schreibtisch, arbeiten und ihre beruflichen Pläne verwirklichen. Doch dieses Treffen am Küchentisch? Das Kind soll erst einmal da sein, gesund, quietschend und froh. Sie will es sehen, erst dann die Kinderfrau und die Kita suchen. Wie soll man jetzt wissen, was passt?
    Mit 36 Jahren gilt Susanne als Risikomutter. Sie muss häufiger zum Arzt als jüngere Frauen, mehr Vorsorgetests werden ihr empfohlen. Sie wartet wochenlang auf die Ergebnisse, ein wichtiges steht noch aus. Das macht sie unsicher. Mittelfristige Planungen sind in ihrem Beruf ganz normal, in diesem intimen Bereich empfindet sie das aber als anmaßend. Susanne braucht ihren gesamten Verstand, um die Betreuungsfrage so früh zu klären. Sie will das Ganze schnell hinter sich bringen. Bereits an diesem Nachmittag fällt die Entscheidung. Maria wird eingestellt, eine spanische Frau mittleren Alters. Selbst kinderlos traf sie mit ihrem Mann gerade in Deutschland ein, als Lehrerin ohne Aussicht auf eine Anstellung in deutschen Schulen. Er mit passablem Deutsch, sie holpert noch und muss lernen. Maria kam auf Empfehlung, sie ist eine entfernte Bekannte. Das war der ausschlaggebende Grund. Man kann sich auch vorstellen, Maria langfristig zu beschäftigen, denn meine Freunde wollen gerne ein zweites und drittes Kind.
    Alexander kam im August zur Welt. Ein Wonnebrocken glücklicher Eltern. Maria half viel früher als geplant, wo sie nur konnte. Susanne war froh darüber. So fiel ihr die Rückkehr in den Beruf leicht. Das Kind war an Maria gewöhnt und nach sechs Monaten auch schnell an die Krippe. Mit den Eltern verbrachte Alex täglich wertvolle Stunden. Eine traute Familie war entstanden. Zwei Jahre später bestand Susanne ihre Prüfung. Alle Planungen hatten sich umsetzen lassen. Der hohe finanzielle Einsatz hatte sich gelohnt. Sie erwartete ihr zweites Kind.

     
    Erkan, Jenny und Laura, die drei anderen Kinder dieser Geschichte, wurden im selben Jahr in derselben norddeutschen Stadt geboren. Doch 1994 kannte ich sie noch nicht. In den ersten drei Jahren wuchsen sie zu Hause auf.
    Die Eltern von Erkan wollten das so. Erkans Mutter war allemal zu Hause und kümmerte sich mit ihrer Mutter um die große türkische Familie. Eine Krippe für Erkan kam ihnen nicht in den Sinn. Es ging ihm gut zu Hause. Seine Geschwister und die Erwachsenen spornten ihn an und brachten ihm vieles bei. Eine gute Bildung war den Eltern wichtig. Doch Erkan sprach nur Türkisch. Deutsche Kinder kannte er nicht. Der Einstieg in die Schule würde ihm später schwerfallen. Der Kinderarzt empfahl den Eltern daher dringend, Erkan zumindest für einige Stunden am Tag in einen Kindergarten zu geben. Da war Erkan schon drei.
    Bei Jenny war es anders. Ihre Mutter war seit der Geburt ihres älteren Halbbruders arbeitslos, wollte arbeiten und litt sehr darunter, nur zu Hause zu sein. Sie wollte raus aus ihrer Wohnung, aus dem Viertel mit so vielen Sozialwohnungen. Sie wehrte sich dagegen, langsam unterzugehen, sich anzupassen an diese Gegend ohne Hoffnung. Der Vater ihres Sohnes hatte Wert darauf gelegt, dass sie sich nur um das Kind kümmert. Von seinem Lohn konnte die Familie leben. Dabei wäre die Mutter gern erwerbstätig gewesen. Ihr Realschulabschluss war nicht schlecht. Ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau hatte vielversprechend begonnen. Dann wurde sie schwanger und brach die Ausbildung ab. Als der Vater ihres Sohnes sie später verließ, rutschte sie schnell in die Sozialhilfe. Die zweite Schwangerschaft folgte, Jenny wurde geboren. Der leibliche Vater erkannte seine Tochter zwar an, aber die Eltern wollten nicht zusammenleben. Jennys Mutter war also alleinerziehend. Solange eine Kinderbetreuung für die unter dreijährige Jenny fehlte, konnte die Mutter nicht erwerbstätig sein. Deshalb drängten Sozial- und Arbeitsamt
sie nicht. Sie förderten auch nicht. Die junge, gescheite Frau verlor mehr und mehr den Halt. Die Antriebskraft
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