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Schulaufgaben

Schulaufgaben

Titel: Schulaufgaben
Autoren: Jutta Allmendinger
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Deutschland zu einer Bildungsrepublik werden kann. Noch sind wir das nicht. Die Bildung der Kinder hängt jenseits ihrer Fähigkeiten und Potenziale zu stark von ihren Elternhäusern ab. Gerade für die vielen neugierigen Kinder mit Einwanderungsstatus ist das besonders hart. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind so ausgeprägt, dass daraus ungleiche Lebenschancen für die Kinder entstehen. Den Anspruch auf Bildung als Bürgerrecht verwirklichen wir nicht.
    Warum eigentlich? Wir wissen, was zu tun ist. Wir sehen die Erfolge im Ausland, sehen viele wunderbare Schulen bei uns um die Ecke. Schulen, die Eltern mit ins Boot holen. Schulen, die mit kleinen Klassen, guten Lehrern und Sozialpädagogen die Schülerinnen und Schüler mitnehmen, die sie in ihrem Ehrgeiz piksen und sie motivieren. Wir stellen uns
vor: Gemeinden lassen Schulen, Schüler, Lehrer und Eltern einen Pakt auf die Zukunft schließen. Sie ziehen an einem Strang und erzeugen das, was für sie und die Gesellschaft das Wichtigste ist: Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung, ein gutes Leben. Auch davon handeln die folgenden Seiten.
    Gewidmet ist dieses Buch meiner Mutter, die sich über meine Frauenbücher immer gefreut hat, ein Bildungsbuch aber stets wichtiger fand. Nun ist es da, ohne dass sie es noch lesen und mir in zarten Nebensätzen deutlich kommentieren kann.
     
    Jutta Allmendinger
    Berlin, im August 2012

Bildungsketten

KAPITEL 1
Aller Anfang braucht mehr als Zeit
    Die Prägung der ersten Lebensjahre
     
    1994, Mitte April. Ein sonniger Nachmittag in Norddeutschland. Im Stundentakt sieht man Frauen, teilweise begleitet von ihren Männern, ein schönes Einfamilienhaus betreten und wieder verlassen. Geöffnet wird die Tür von einer blonden Frau in Jeans und mit lustigem Pferdeschwanz, manchmal auch von einem großen, fast schlaksigen Mann. Um was es geht, erschließt sich dem Beobachter von außen nicht.
    Meine Freunde Susanne und Michael erwarten im August ihr erstes Kind. Schon lange steht fest, es wird mein Patenkind sein: das Kind, welches ich hoffentlich über Jahrzehnte begleiten würde. Auch deshalb bin ich heute dabei. Die zukünftigen Eltern hatten eine Anzeige in die Zeitung gesetzt: Wir suchen eine Kinderfrau. Aus den vielen Zuschriften wählten sie mühsam fünf Bewerbungen aus. Die Frauen stellen sich heute vor. Eine skurrile Situation. Die Schwangerschaft sieht man Susanne kaum an. In der Wohnung deutet nichts darauf hin, dass hier bald ein Kind leben wird. Fachzeitschriften für Architektur und Design stapeln sich auf den Tischen. Nüchtern und irgendwie provisorisch ist alles eingerichtet, fast wie eine zu groß geratene Studentenbude.
    Wir sitzen am Küchentisch und befragen die fremden Frauen, wie sie ein Kind erziehen würden. Wie würden sie es versorgen und betreuen? Welche Erziehungsstile würden sie wohl anwenden? Nur Michael und ich fragen, einen vorbereiteten Bogen mit Stichpunkten in der Hand. Susanne wirkt ungewohnt reserviert, fast in sich gekehrt. Die Bewerberinnen
antworten, manche lassen ihre Männer für sich sprechen, es fehlt ihnen das nötige Deutsch. Ganz unterschiedliche Menschen haben wir zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Ältere Damen, junge Studentinnen, politische Flüchtlinge, die in Deutschland nur schwer Fuß fassen dürfen. Alle haben Erfahrungen mit Kindern, eine Ausbildung als Erzieherin und entsprechende Abschlüsse kann keine vorweisen.
    Meine Freunde benötigen eine Kinderfrau ab Oktober, unmittelbar nach dem Mutterschutz von Susanne. Michael, ein Architekt, macht allemal keine Babypause. Er ist in mehrere Großprojekte eingebunden. Susanne, eine Innenarchitektin, will zügig zurück ins Büro. Sie möchte sich auf Lichtdesign spezialisieren und dann ihr eigenes Design-Büro gründen. Die Kinderfrau soll zunächst ganztags und flexibel betreuen, je nach Arbeitspensum der Eltern. Wenn das Kind sechs Monate alt ist, kann sie ihre Arbeitszeit etwas verringern, dann darf das Kind in eine Krippe. Dort ist es bereits seit letztem Jahr angemeldet, als Susanne und Michael entschieden, endlich eine Familie zu gründen. Es ist die einzige Krippe für unter Einjährige in der norddeutschen Stadt. Es ist eine private Einrichtung. Für meine gut verdienenden Freunde kostet sie, was sie wert ist: 1400 DM im Monat. Die Kinderfrau brauchen sie trotzdem. Die Kita richtet sich nicht nach den Projektterminen der Eltern, nicht nach den Dienstreisen des Vaters und den Prüfungen der Mutter, abends und an
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