Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln
Autoren: Christa Canetta
Vom Netzwerk:
Mittel.«
    Andrea lachte. »Als Waffe habe ich es eigentlich noch nie betrachtet.«
    »Gott sei Dank.«
    Vor dem Haus hielt ein Wagen. Sie konnten ihn hinter der Bodenwelle zwar nicht sehen, aber sie konnten hören, wie zwei ausgelassene Hunde bellend herumtobten und dann, beinahe kopfüber, heranstürmten. Beide rasten auf den Bootssteg, und Bella war so schnell, dass sie nicht mehr bremsen konnte und mit breit gespreizten Beinen ins Wasser schoss, während Ajax gegen Ryan sauste und ihn beinahe über den Rand warf.
    Ryan explodierte fast vor Lachen. Plötzlich war er ein anderer Mensch, alle Erinnerungen waren fort – mit dem Hund sozusagen im Wasser gelandet –, und er warf den Kopf zurück, streckte die Arme nach Ajax aus und schüttelte sich vor Freude. Und zum ersten Mal hatte Andrea den Eindruck, dass sich unter dem ernsten, fast steifen Äußeren ein ganz anderer Mensch versteckte. Plötzlich wusste sie, dass sich tief in seinem Inneren eine Heiterkeit verbarg, die, wenn sie geweckt wurde, seine ganze Persönlichkeit beherrschte. Sie wusste aber auch, dass er diese Heiterkeit fest unter Kontrolle hielt. Ein humorvoller, starker und so verletzlicher Mann, dachte sie und beobachtete Bella, die ziemlich erschrocken durch das Wasser paddelte.
    Dann kletterte der Hund ans Ufer, sprang auf den Steg und schüttelte sich. Ein Schwall tausendfacher Glitzertröpfchen ergoss sich über alle, und bevor Andrea und Ryan aufspringen konnten, lief ihnen das Wasser aus den Haaren, übers Gesicht und über die Kleidung. Andrea, ohne Mütze und Turban, weil Ryan sie dazu überredet hatte, strich sich mit den Händen über den Kopf, der langsam, ganz langsam, die mittelblonde Tönung der nachwachsenden Haare annahm, und lachte Ryan an. »Geglückter Empfang, würde ich sagen, und stürmische Liebe.«
    Über den Hügel kam William geschlendert, eine Pfeife im Mund und die Hände in den Taschen der weiten Drillichhosen. Ein drahtiger, weißhaariger Schotte von etwa sechzig Jahren.
    »Hab nicht gewusst, wo Sie sind, Sir, aber die Hunde waren nicht zu halten.«
    »Hallo William, schön, dass ihr da seid. Komm mit, wir machen Abendessen, und vorher trinken wir einen Schluck.«
    Andrea schob eine von Lindas duftenden Pasteten in den Backofen, holte Bier aus dem Kühlschrank und schnitt das frische Brot in kräftige Scheiben. Dann deckte sie den Tisch und beobachtete die beiden Männer, die vor dem Haus saßen, mit Behagen Whisky schlürften und über Verkaufspreise für Angusrinder sprachen. Ryan wollte die Weiden auf der Black Isle für seine Herden schließen. Sie waren ihm zu abgelegen und sollten an einige Schafzüchter verpachtet werden, die sich schon lange dafür interessierten.
    Sie saßen gerade beim Essen, als James mit dem Rover und dem Gepäck für Ryan eintraf. Von den Hunden knurrend begrüßt, wagte er nicht, den Wagen zu verlassen, bevor William sie eingesperrt hatte. Auch er durfte am Tisch Platz nehmen, eine Tatsache, die weder er noch William bisher erlebt hatten und die sie anscheinend einer neuen, kameradschaftlichen Beziehung zu ihrem Chef verdankten. Aber Ryan, der bemerkt hatte, mit welcher Selbstverständlichkeit Andrea den Tisch für alle gedeckt hatte und jetzt einfach noch ein Gedeck dazulegte, wusste, dass es Handlungen wie diese waren, auf die Andrea allergrößten Wert legte. Gleichzeitig wusste er, dass sie Recht hatte. In Aberdeen mussten andere Maßstäbe gelten, aber hier war es genau richtig, dass sie alle um den großen Tisch herum gemeinsam ihr Abendbrot einnahmen.
    Später, als James und William abgefahren waren, wollte Andrea mit Hamburg telefonieren.
    »Um diese Zeit müsste meine Freundin zu Hause sein, ihre Kanzlei schließt um sieben, und länger als eine Stunde braucht sie für den Heimweg nicht«, erklärte sie Ryan und setzte sich mit dem Handy auf die Bank vor dem Haus. Fast dunkel war es inzwischen, und Andrea beobachtete den Himmel, an dem die Sterne immer heller wurden.
    Der fröhlichen Stimme von Gabi merkte man an, wie sehr sie sich über den Anruf freute.
    »Hallo meine Liebe, ich bin es, Andrea. Wie geht es dir inzwischen?«
    »Bestens, aber mit dir muss ich ein Hühnchen rupfen.«
    »Was habe ich verbrochen?«
    »Zuerst eine Frage: Wie eng ist deine Beziehung zu Peter Erasmus?«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Liebe Andrea, wie eng?«
    »Kein bisschen eng. Warum?«
    »Und weshalb hast du mir den Mann bisher vorenthalten?«
    »Aber Gabi, warum hätte ich dir Peter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher