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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln
Autoren: Christa Canetta
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Sie eilte in die Küche und kam mit dem Blatt zurück. »Hier, bitte, Mr McGregor.«
    Draußen hielt ein schwerer Wagen. Der Bus war gekommen. Ryan beobachtete drei Männer, die ausstiegen und die Straße entlang zu ihren Häusern gingen. Arbeiter aus Inverness, die Feierabend haben, dachte er und ging nach draußen. Aber der Bus, fast leer, fuhr weiter, von Andrea keine Spur.
    Ryan ging zurück. »Wann kommt der nächste Bus?«
    »Es war der letzte für heute«, erklärte die Wirtin, jetzt auch ängstlich und ratlos.
    »Ich verstehe das nicht. Wie konnte Miss Steinberg mit einer wildfremden Frau wegfahren?«
    »Na ja, die Frau war vielleicht etwas aufdringlich, Sir.«
    »Inwiefern?«
    »Nun, gestern Abend wollte sie mit Miss Steinberg zusammensitzen und hat ihr fast die Treppe versperrt, als sie hinaufgehen wollte. Und heute Morgen wollte sie unbedingt mit ihr zusammen essen, obwohl Miss Steinberg schon allein gefrühstückt hatte.«
    »Dann verstehe ich erst recht nicht, weshalb sie mitgefahren ist.«
    »Die Malerin hat angeboten, ihr in Inverness die Geschäfte zu zeigen, und bei dem Nebel wollte Miss Steinberg vielleicht nicht gern allein fahren, mit dem verwundeten Rücken, und diese blonde, hübsche Frau gab sich ja auch alle Mühe, nett zu ihr zu sein.«
    »Blond? Beschreiben Sie mir die Frau.«
    »Nun, sie sah sehr gut aus, Sir, wie ein Mannequin, wenn ich so sagen darf. Lange blonde Haare, gute Figur, so groß wie Miss Steinberg und recht elegant gekleidet.«
    »Karen Brendan«, entfuhr es Ryan.
    »Karen Brendan? Ich glaube, das Wort Karen habe ich gehört, als sie sich vorstellte. Gestern Abend auf der Treppe da drüben.«
    Ryan war blass geworden. »Ich muss telefonieren.«
    Er stürmte hinaus zu seinem Wagen und riss das Handy aus der Halterung.
    Wenig später war er mit dem Polizeipräsidium in Inverness verbunden, stellte sich vor und erklärte: »Ich gebe hiermit eine Vermisstenanzeige auf und zeige Miss Karen Brendan wegen Kidnapping an. Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen, ich wünsche aber, dass bereits jetzt etwas unternommen wird. Die Dame Brendan hat vor, ins Ausland abzureisen.«
    Dann gab er die Beschreibung beider Personen durch. Hätte ein Unbekannter angerufen, man hätte ihn vertröstet, man hätte ihm geraten, abzuwarten und nicht solche unbewiesenen Behauptungen aufzustellen. Einem Ryan McGregor gegenüber verhielt man sich anders. Man setzte einen Polizeiapparat mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln in Bewegung, denn man wusste, was zu tun war, wenn dieser Mann Hilfe forderte. So wurden die Polizeistationen auf den Flughäfen, den Bahnhöfen und in den Häfen informiert, man setzte sich mit den Wachen in Edinburgh und Glasgow in Verbindung und gab die Meldung weiter nach London. Und wenige Minuten nach Ryans Anruf umspannte der Fahndungsaufruf die gesamten britischen Inseln. Ryan fuhr mit Höchstgeschwindigkeit nach Westen. Er hatte etwa die Hälfte der Strecke hinter sich, als sein Handy klingelte.
    Andrea wurde wach, weil sie fror. Sie sah auf ihre Uhr, aber in dem dämmerigen Licht konnte sie die Zeiger nicht erkennen. Sie setzte sich hin, die Rückenwunde schien getrocknet zu sein. Vorsichtig zog sie sich an und stand auf. Auch am Kopf fror sie. Diese fünf Millimeter nachgewachsener Haare, die sich da zeigten, wärmten in keiner Weise. Sie suchte in ihrer großen Schultertasche nach einem Seidentuch, das sie umbinden konnte. Dabei stießen ihre Finger auf einen harten Gegenstand ganz unten. Vorsichtig holte sie ein in Seidenpapier gewickeltes Päckchen heraus. Ein Handy. Und ein Brief. 0 Gott, danke, dachte sie und las, was auf dem Zettel stand.
    »Damit du nie wieder ohne Hilfe unterwegs bist. Ryan.« Auf der Rückseite des Handys, das in Klarsichtfolie steckte, fand sie eine Liste mit Nummern, die Ryan dort befestigt hatte. Sie überlegte, ob sie aus einem Betonbunker heraus eine Verbindung bekommen würde. Dann rückte sie den Klapptisch an eine der Schießscharten, kletterte hinauf und wählte Ryan Nummer, wobei sie ihr Handy so weit wie möglich in die Betonspalte hielt. Er meldete sich sofort.
    »Ryan, hier ist Andrea. Danke für das Handy.«
    »Um Gottes willen, wo steckst du?«
    »Ich fürchte, man hat mich entführt.«
    »Ja, ich weiß, ich bin schon auf der Suche, aber wo bist du?«
    »Ich weiß es nicht, Ryan. Wir sind hinter Inverness über eine Brücke gefahren, aber es war so neblig, dass man nichts erkennen konnte. Dann kam freies Land, später wurde es
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