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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln
Autoren: Christa Canetta
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und den dicken Schafwollteppichen war der gemütlichste Raum, den er sich vorstellen konnte. Alte Bauernmöbel, bequeme Ohrensessel, ein Regal mit Büchern, ein vergilbter Spiegel in geschnitztem Rahmen, ein paar Bilder mit Moorlandschaften und die vielen handgewebten Kissen, die überall verteilt waren, garantierten die Geborgenheit, die er immer schon gesucht hatte.
    Die kleine Küche neben der Halle verbarg hinter ihrem rustikalen Stil modernste Technik und bot Platz für einen großen Holztisch, an dem mindestens acht Personen essen konnten. Aber Ryan legte keinen Wert auf Gäste, und so saß er meist allein am Tisch, den er zugleich als Arbeits- und Schreibtisch nutzte.
    Ryan sah nach dem Feuer, legte Holz nach und holte den Eimer herein. Er nahm die Fische aus, bestreute sie mit Salz, legte die Forellen auf den Teller und ging mit den Lachshälften nach draußen. Etwas entfernt vom Haus hatte er sich seinen Räucherofen gebaut. Etwas Holz, etwas Torf und verschiedene Wildkräuter – er wusste genau, welchen Geschmack der Fisch haben sollte. Als die helle Flamme zusammengefallen war und die glimmenden Reste ihren würzigen Duft entwickelten, hängte er die Fischhälften in den Rauch und verschloss den Ofen.
    Kühl war es geworden, und die Dämmerung senkte sich herab. Ryan ging ins Haus, nahm eine Wollmütze und den dicken Pullover vom Haken und lief hinter dem Haus hinunter in die Mulde, in der die Schafherde inzwischen ihr Nachtquartier bezogen hatte. Wiederkäuend lagen die Tiere im eingezäunten Pferch und hoben kaum die Köpfe, als Ryan kam und das Gatter verschloss. Er lobte die Hunde, die bestens abgerichtet diese Arbeit allein erledigt hatten, und kontrollierte den Zaun.
    »Ajax, Bella, auf geht‘s nach Hause.«
    Darauf hatten die beiden nur gewartet. Um die Wette rannten sie mit ihm zurück zum Haus. Die Hunde kannten das Ritual, tollten kläffend um ihn herum, sprangen an ihm hoch, warfen ihn fast um und warteten bellend vor der Tür, bis er die Stiefel ausgezogen hatte.
    »Na los, kommt schon.« Er holte das Futter aus dem Kühlschrank, gab heißes Wasser dazu, um es zu erwärmen, und stellte den Hunden die Näpfe hin. Bevor er die Wasserschüsseln für sie gefüllt hatte, war das Futter schon verschlungen.
    Ryan sah zu, wie sie das Wasser aufnahmen und sich auf ihren Decken in der Nähe des Kamins zusammenrollten. Dann erst zog er sich selbst aus, wusch die Hände und begann, sein eigenes Essen vorzubereiten. Die Forellen wurden mit Wildkräutern, die um das Haus herum in Hülle und Fülle wuchsen, und mit Zitronenscheiben gefüllt und in den Backofen geschoben. Ein paar Kartoffeln in den Topf und eine Flasche Bier auf den Tisch: Das Abendessen würde köstlich schmecken.
    Während sich draußen die Dunkelheit ausbreitete, wurde es drinnen warm und gemütlich. Ryan hatte sich nach dem Essen die Pfeife angesteckt, ein Glas Whisky eingeschenkt und sich im Sessel ausgestreckt. Er genoss die absolute Stille, die ihn umgab. Wenn er Gesellschaft suchte, fuhr er in den Pub von Dyke. Dort konnte er mit den Fischern aus Findhorn und den Schäfern vom Culbin Forest, mit Waldarbeitern und Whiskybrennern aus Kintessack fachsimpeln und diskutieren. Da ging es um Wollpreise und Aufforstung, um Wasserreinheit für die Brennereien und Fangquoten für die Fischer, um Highlandspiele und um Frauen, ums Wetter natürlich und um die Königsfamilie, die derzeit Ferien auf Balmoral Castle machte. Ryan lächelte in Erinnerung an die Abende, an denen es manchmal ganz schön heiß herging, wenn keiner von seiner Meinung abweichen wollte und Scottish Ale reichlich floss. Er fühlte sich wohl in der Runde, er wurde akzeptiert, als einer der ihren angesehen, und die Männer nannten sich beim Vornamen. Er hoffte, dass es immer so bleiben würde. Für sie war er Ryan McGregor und niemand sonst.
    Er wollte gerade aufstehen, um sich Eiswürfel für einen zweiten Whisky zu holen, als die Hunde die Köpfe hoben, die Ohren aufstellten und bellend zur Tür stürmten. Ryan stand auf und rief die großen Tiere zurück. Er hörte jetzt auch die Männerstimmen vor dem Haus. Bevor er öffnen konnte, wurde kräftig an die Tür geklopft, und dann sah er im Schein der Hoflaterne sieben seiner Pubfreunde aus Dyke in der Dunkelheit stehen.
    »Wo kommt ihr denn her?« Ryan öffnete die Tür weit und rief: »Kommt herein, aber lasst die Schuhe draußen, sonst kriege ich Krach mit Linda, wenn sie zum Putzen kommt.«
    Lachend, einander stützend,
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