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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln
Autoren: Christa Canetta
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die sie im Laufe des Tages zubereitet und für die Tiefkühltruhe im Cottage bestimmt hatte. Während sie ihre Sachen in die Küche brachte, bat Ryan sie, vom nächsten Tag an wieder regelmäßig zu kommen und sich täglich um das Haus zu kümmern.
    Andrea winkte ab und flüsterte: »Jetzt kann ich mich darum kümmern, es macht mir nichts aus.«
    Aber Ryan schüttelte den Kopf. »Sie braucht diesen Verdienst, ihre Putzarbeit im Pub bringt ihr nicht viel, und von dem Geld, das sie jedes Jahr im Sommer bei mir verdient, kann sie sich ihre Wintergarderobe kaufen.«
    Andrea nickte, wie umsichtig Ryan doch diesen Leuten gegenüber war. Er dachte nicht nur daran, ihnen zu helfen, er dachte auch daran, es auf eine diskrete Art zu tun, die ihnen erlaubte, diese Hilfe anzunehmen.
    Als Linda abgefahren war, nahm Ryan sie an die Hand. »Komm, ich möchte nachsehen, ob der Bootssteg noch in Ordnung ist, dann können wir morgen das Boot zu Wasser lassen und zum Fischen hinausfahren.«
    Sie liefen über die kleine Bodenwelle, die die Aussicht versperrte, und den Abhang zur Bucht hinunter. Alles war in Ordnung, und sie setzten sich auf die noch sonnenwarmen Planken, ließen die Beine über den Rand baumeln und sahen hinüber zum weit entfernten Ufer auf der anderen Seite der Bucht. Ryan erzählte von Abenteuern, die er in seiner Kindheit mit dem alten Scott erlebt, und von Wünschen, die er damals gehabt hatte.
    »Ich wollte immer hier bleiben, schon als kleiner Junge habe ich mich vor dem Tag gefürchtet, an dem der Chauffeur mit dem großen Wagen kam, um mich wieder abzuholen.«
    »Ich wundere mich, dass deine Eltern dir erlaubten, die Ferien mit einem alten Fischer zu verbringen.«
    »Genau kann ich es auch nicht erklären, aber der alte Scott hat meinen Vater mal aus dem Meer gezogen, als der beim Angeln über Bord gegangen war und sich total in einem fremden Schleppnetz verstrickt hatte. Wäre Scotti damals nicht vorbeigekommen, wäre mein Vater ertrunken. Seitdem gab es zwischen den beiden eine Freundschaft, die sogar mich einschloss. Scotti bekam lebenslanges Wohnrecht auf unserem Land, und ich durfte die Ferien hier verbringen. Mein Vater wusste mich gut aufgehoben, und außerdem war es ihm sehr recht, dass ich das Leben armer Leute kennen lernte.«
    »Ein kluger Mann.«
    »Das ist er, aber verteufelt oft habe ich mir gewünscht, er hätte etwas mehr Liebe statt Klugheit in meine Erziehung investiert.«
    »Liebe hat dir sehr gefehlt?«
    »Natürlich. Ich war doch noch ein kleiner Bursche. Ich habe nie Zärtlichkeiten kennen gelernt, da war niemand, der mich mal in den Arm genommen hätte, der mich mal getröstet hätte. Immer hieß es, du bist ein Junge, Gefühle bringen dich nicht weiter.«
    »Und deine Mutter?«
    »Meine Mutter?« Ryan überlegte, und Andrea sah, dass ein Hauch von Trauer über sein Gesicht huschte. »Meine Mutter ist eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, sie ist gewöhnt, den Launen ihres Mannes mit Geduld und Takt zu begegnen und eine gute Ehe zu führen, ohne großes Aufsehen davon zu machen. Als sie noch in Aberdeen lebte, war sie eine sehr aktive Frau. Hunderte von Verpflichtungen und nie Zeit für einen Besuch im Kinderzimmer. Später hatte ich mich daran gewöhnt. Was man nicht kennt, vermisst man auch nicht.«
    »Das Leben hat dich hart gemacht.«
    »Ja, vielleicht.« Ryan legte den Kopf in den Nacken und dachte nach. »Ich musste früh lernen, mich durchzuboxen. Mir hat niemand etwas geschenkt, und Firmenchef zu werden war ein sehr mühsamer Weg, den ich von der Pike auf lernen musste.«
    »Aber du hast es geschafft.«
    »Ja, weil ich sehr schnell gelernt habe, immer nur das zu tun, was ich für richtig hielt. Es war nicht immer leicht für die Leute um mich herum.«
    »Ich wünschte, ich hätte auch die Kraft, immer nur das zu tun, was ich für richtig halte, ich mache zu viele Kompromisse, ich höre zu oft auf andere«, überlegte Andrea, »für eine Frau ist es schwerer, sich durchzusetzen.«
    »Überhaupt nicht«, sagte Ryan beinahe ärgerlich. »Man kann es lernen, und dann merkt man plötzlich, dass es leichter wird, durchs Leben zu gehen.«
    »Hm, ich weiß nicht, ob ich es schaffe.«
    »Ein bisschen Mut gehört schon dazu, sich durchzusetzen. Aber man kann es üben, ich werde dir dabei helfen, wenn du willst.« Ryan zog sie an sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Als zukünftige Geschäftfrau wirst du Courage brauchen. Aber dein Lächeln ist auch kein schlechtes
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