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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
Autoren: Georg Lehmacher
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ihr Handy klingelt.
    »Sie muss nicht mit? Sicher nicht?«
    »Nein.«
    »Aber, Herr Doktor, können Sie mir garantieren …«, fängt er jetzt noch einmal an.
    »Wenn wirklich noch mal was sein sollte, dann rufen Sie wieder an. Aber das glaube ich eher nicht.«
    Wir packen unsere Sachen und verabschieden uns höflich, die Patientin nickt uns nur kurz zu, während sie am Telefon immerzu etwas in einer Sprache wiederholt, die ich nicht verstehe.
    Es hat aufgehört zu regnen.
    Unten vor dem Haus zündet sich Philipp erst mal eine Zigarette an. »Ziemlich dramatischer Ablauf«, sagt er.
    »Ja, es ging mal wieder so richtig knallhart auf Leben und Tod. Jede Sekunde zählt …« Tim schnorrt sich eine Zigarette.
    »Auf den Schreck«, sagt er.
    Wir lachen.
    Oben hört man eine Balkontür aufgehen. Gegen das aus der Balkontür fallende Licht sieht man noch einmal den Kopf des jungen Mannes.
    »Ist noch etwas?«, ruft er.
    »Alles okay. Wir brauchen jetzt nur erst mal eine kleine Pause, damit wir richtig fit sind für den nächsten Einsatz«, entgegnet ihm Tim.
    Auf der Rückfahrt bleibt der Funk ruhig.
    »Eigentlich hätten wir heute Nacht genauso gut auf der Wache bleiben können«, sage ich zu meinem Doc, der den Kopf müde ans Fenster lehnt.
    »Nein …«, murmelt er leise von der Seite. »Dann hätte doch diese Yogatante ihren Bus verpasst.«
    Recht hat er. Wenn man gerade mal nicht die Welt rettet, ist es gut, das Glück in den kleinen Dingen nicht zu vergessen.

In einer anderen Welt
    A lex Schneider, den ich heute ablöse, ist zwanzig Jahre jünger als ich. Man merkt ihm einen gewissen Unmut an, wenn nichts los ist, während ich es genieße, dass es mal ruhig bleibt, so wie heute. Alex bekam noch einmal einen Einsatz rein, gerade als ich zu Dienstbeginn auf den Hof gefahren kam. Für einen Moment wollte ich mich noch beeilen, um ihn vielleicht noch schnell abzulösen, aber dann fuhr er winkend an mir vorbei, noch bevor ich aus meinem Auto ausstieg. Also begann ich den Abend mit einer Zeitung in der Küche eher gemütlich.
    Aber jetzt, beim zweiten Wachmacherkaffee, höre ich das Tor klicken.
    »Hallo Alex. Wo ist denn unser Doc?«, begrüße ich den jungen Kollegen, der aus dem NEF steigt.
    »Unterwegs zum Klinikum. Mit dem Meringer Rettungswagen und einer bevorstehenden Geburt. Ich hab es mit der Leitstelle abgeklärt, dass wir kurz wechseln. Du solltest dann gleich weiterfahren und den Doc aufnehmen. Du fährst mit Frau Dr. Singer.«
    »Dann war die aber schon früh da …«
    »Ja, sie hat Dr. Eckmann etwas eher abgelöst, weil der aus irgendeinem Grund dringend nach Hause musste. Sie fährt bis morgen früh weiter.«
    »Und das Auto? Fehlt viel?«
    »Du musst noch zwei Dipis im Giftbuch unterschreiben lassen. Und demnächst tanken. Das hab ich nicht mehr geschafft. Der Tank ist viertel voll. Für ein oder zwei Einsätze reicht’s noch.«
    Dipis: eine Abkürzung, die eines unserer Opiate meint.
    »Gut.«
    »Fahrtenbuch hab ich schon geschrieben. Die Tachoscheibe musst du noch wechseln.«
    »Okay.«
    Alex steigt aus, gibt mir den Piepser. »Das Handy ist im Handschuhfach. Der Schlüssel steckt. Ach … und: Bitte schau noch mal, wir hatten am frühen Nachmittag einen Einsatz in der Stadtmitte. Ein ›Joachim Weidenberger‹, wenn ich mich recht erinnere. Ein älterer Mann, etwa fünfundsiebzig bis achtzig Jahre alt, zuerst war er noch ansprechbar, dann war es eine Reanimation. Leider erfolglos, er ist im Klinikum gleich in die Pathologie gekommen. Da fehlen mir außer dem Namen noch alle Personalien. Wenn du jetzt sowieso hinfährst, kannst du es vielleicht ergänzen, falls die schon was haben. Sonst eben bitte später noch mal nachtelefonieren.«
    »Mach ich.«
    Der Meringer Rettungswagen steht leer vor der Klinik, als ich dort eintreffe, Frau Dr. Singer ist nirgends zu sehen.
    Auch gut , denke ich. Das ganze Team ist wohl mit der Patientin nach oben gegangen in den dritten Stock, wo der Kreißsaal ist. Also setze ich mich mal vorn auf einen Stuhl bei den Schaltern vor der Verwaltungsaufnahme, in die zweite Reihe hinter ein junges Paar.
    »Brauchst du was?«, fragt mich Isabell hinter dem Schalter, die schon mehrere Jahre im Klinikum arbeitet. So kennt man sich also.
    »Hat Zeit, mach nur erst fertig«, sage ich.
    Der junge Mann, der knapp dreißig sein könnte und sein Hemd unter der Lederjacke trotz der winterlichen Kälte recht weit aufgeknöpft trägt, hat an der Hand und der Stirn einige Kratzer. Das Mädchen
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