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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
Autoren: Georg Lehmacher
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tatsächlich bewegt, den Kopf langsam hebt und mich aus verschlafenden Augen heraus erstaunt anschaut, erschrecke ich erst richtig.
    »Mh?«
    »Hallo. Was ist passiert? Was ist mit Ihnen los?«, fasse ich mich wieder.
    Dr. Eckmann beugt sich ebenfalls hinunter, im Streiflicht einer Laterne, das durch die Zweige hindurchfährt, erkenne ich seine Nase und die Brille deutlich.
    »Oh! Wie viel Uhr ist es?« Dr. Eckmann leuchtet ihr mit einer kleinen Taschenlampe ins Gesicht. Sie kneift die Augen zu und hält sich die Hand vors Gesicht. Soweit man es in diesem grellen Lichtkegel auf ihrem Gesicht überhaupt beurteilen kann, sieht die Hautfarbe der Frau nicht wirklich krank aus.
    »Zwanzig Minuten nach elf Uhr zum Beispiel? In der Nacht«, sagt Dr. Eckmann.
    »O je.« Die Frau rückt ihre Beine langsam gerade.
    »Ich war so müde.« Mühsam setzt sie sich auf. »Ich muss bei meinen Yogaübungen eingeschlafen sein.«
    »Wie bitte?« Dr. Eckmann, der sonst immer so ruhig ist – jetzt hört man ihm die Überraschung an. Und auch ich möchte das, was die junge Dame mir erklärt hat, noch einmal hören: »Sie machen hier … mitten in der Nacht, bei dieser Kälte … was für Übungen?«
    »Yoga. Ich mache abends oft meine Yogaübungen hier. Aber diese Woche war so viel los. Ich hatte so viel um die Ohren, ich muss heute dabei eingeschlafen sein.«
    Die Frau klingt ein wenig benommen, sie tut mir irgendwie leid.
    »Haben Sie am Abend vielleicht etwas getrunken?«, will Dr. Eckmann wissen.
    Die Frau schüttelt den Kopf.
    »Oder irgendwas eingenommen?«
    Sie schaut nur groß.
    »Na, Drogen oder so?«
    »Nee, ja also ganz sicher nicht!« Es klingt glaubhaft entrüstet.
    »Ist Ihnen gar nicht kalt?«, will ich wissen.
    »Nein, ich bin ja warm angezogen. Mir geht es gut, echt.«
    Tatsächlich trägt sie nicht nur einen dicken Anorak, sondern auch eine warme Skihose.
    »Wohnen Sie hier irgendwo in der Gegend?«, frage ich sie noch.
    »Nein, außerhalb, in Diedorf.« Dann nimmt sie eine Plastiktüte und eine bestickte Stofftasche, die neben ihr liegen und steht langsam auf.
    »Zwanzig nach elf? O Gott, jetzt muss ich aber ganz schnell los, sonst verpasse ich noch den letzten Bus.«
    »Wirklich alles okay bei Ihnen?«
    »Ja, sicher, ich muss jetzt nur gleich los, tut mir leid, wenn Sie wegen mir so einen Aufwand hatten, aber ich verpasse sonst wirklich meinen Bus.«
    Eine kurze Geste der Entschuldigung mit den Armen, dann schnappt sie sich ihre Taschen und setzt sich in Bewegung.
    Fragend schaue ich Dr. Eckmann an.
    Der zuckt mit den Schultern. »Ist ’n freies Land«, sagt er.
    »Und danke noch fürs Wecken«, hören wir die Frau noch rufen.
    »Na bitte, gern geschehen …«, sage ich mehr für mich selbst.
    »Möchte mal wissen, wer uns wegen so einem Schmarrn anruft, ohne mal nachzusehen, was überhaupt los ist.« Dr. Eckmann stapft in Richtung Auto los.
    »Wenn ich hier alleine nachts unterwegs wäre und dazu dann vermutlich ohne eine richtige Taschenlampe – also ich würde vielleicht auch lieber nicht hier im Halbdunkeln nach irgendwelchen Leuten sehen, die am Boden liegen«, entgegne ich und beeile mich, mit ihm Schritt zu halten. »Am Ende ist es irgendwas Kriminelles oder der am Boden Liegende wird noch aggressiv. Lieber feig als tot«, dramatisiere ich ein wenig. »Und dass da jemand einfach nur Yogaübungen macht, kann man ja nicht …«
    »Ja, ja. Schon gut«, unterbricht mich der Doc knapp. »Schauen wir jetzt lieber, dass wir wieder auf die Wache kommen.«
    Ich ziehe das Funkgerät aus der Jackentasche und rufe die Leitstelle, um die Kollegen vom RTW abbestellen.
    »Leitstelle von 33/64 …«, beginne ich.
    »Kommen …« Ich erkläre kurz die Situation.
    »Sie sind also wieder frei?«, lässt sich der Mitarbeiter noch mal, mehr pro forma bestätigen.
    »Positiv.«
    »Und schreibklar …«
    Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich habe weder einen Zettel noch Licht zum Schreiben. »Moment …«, sage ich und bedeute Dr. Eckmann mit einem Nicken, dass es weitergeht. »Wir melden uns sofort.«
    Dann laufen wir zurück zum Auto.
    Über Funk wird gerade eine Fischvergiftung bei Schwangerschaft an einen der Augsburger Rettungswagen durchgegeben, und dann fügt der Leistellendisponent dazu »Notarzteinsatz«.
    Ich schaue meinen Doc an. »Das wird dann wohl unserer.« Und einen Moment später bekomme auch ich die Meldung. Ein südländisch klingender Name irgendwo in Lechhausen.
    Wir fahren quer durch die Innenstadt. Unser neues
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