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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod
Autoren: Brigitte Aubert
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Sohn, er wurde, sagen wir, von seinem Großvater misshandelt, und ich verdächtige ihn, seinen kleinen Bruder ermordet zu haben . Ja, die Familie Andrieu, ja.«
    »Im Vergleich dazu konnte dir die Familie doch egal sein.«
    »Belle-Mamie hatte gedroht, mir die Kinder wegzunehmen, wenn ich fortginge. Ich wäre schuldig geschieden worden. Ich hätte sie verloren.«
    Belle-Mamie, deren gekrümmter Körper heute wegen ihrer verdammten Wohlanständigkeit verkohlt war. Er presste die steifen Finger an die Schläfen.
    »Dann wussten also alle von der Sache mit Leon, mit Elilou …«
    »Nein, alle hatten es vergessen. Alle hatten diese herrliche Gabe zu verschleiern, was sie nicht sehen wollten. Alle waren ganz ehrlich mit Blindheit geschlagen. Es gibt mögliche Dinge und unmögliche Dinge, Leonard. Und das gehörte zu den unmöglichen Dingen. Wie du und ich«, fügte sie mit einer Sanftheit hinzu, die ihm einen Dolchstoß ins Herz versetzte.
    Chib schüttelte den Kopf, um sich von dem Kummer zu befreien, um sich an den Tatsachen festzuklammern.
    »Aber warum seine Geschwister angreifen?«
    »Er … er war irgendwie auf mich fixiert, er ertrug es nicht, dass er nicht der Einzige war, ich . ich glaube, er war in mich verliebt«, fügte sie erschauernd hinzu. »Wie ein Tier.«
    »Und du, hast du ihn trotzdem geliebt?«
    »Ja. Er war mein Sohn. Ja, ich habe ihn geliebt. Und ich hatte Angst vor ihm. Er widerte mich an. Doch ich liebte ihn. Du verstehst mich nicht, oder?«
    »Ich versuche es.«
    »Das ist wahr«, sagte sie und sah ihn zum ersten Mal richtig an. »Du bist ein Mann, der es versucht. Dafür danke ich dir.«
    Er schluckte. Nicht von ihm und ihr sprechen, oder er würde anfangen zu flennen.
    »Wusste Jean-Hugues, dass Charles .«
    »Was, Charles?«
    Er runzelte die Stirn.
    »Nun, dass Charles ein Psychopath war.«
    Sie lächelte, ein Lächeln so traurig wie eine Rasierklinge, die in ein zartes Handgelenk schneidet.
    »Charles« - sie stolperte über den Namen, kam wieder zu Atem - »Charles hat nichts damit zu tun, der Arme, ich spreche von Louis-Marie.«
    Er zuckte zusammen wie jemand, der von einem unerwartet lauten Geräusch überrascht wurde. Und plötzlich sah er LouisMarie wieder über das Geländer gebeugt mit seinem spöttischen Lächeln. »Ich bin im Einsatz hinter den feindlichen Linien.« Louis-Marie, der in der Uniform seines folternden Großvaters spielte. Louis-Marie, der sein Gewehr nahm, um den Liebhaber seiner Mutter zu töten. Ja, natürlich, nicht Charles hatte Elilou vergewaltigt oder Eunice zu perversen Handlungen zu zwingen versucht, Charles fühlte sich nicht zum weiblichen Geschlecht hingezogen. Es war Louis-Marie, der seine Schwestern terrorisierte, der Annabelle in den Brunnen gestoßen hatte, verkleidet als eines der Monster aus Horrorfilmen, die er immer wieder in seinem Kopf abspulen ließ. Hirnrissig. Das Wort hatte nicht mehr seine vulgäre Konnotation, sondern vermittelte das Bild von Riss, von Spalt, zunächst noch ganz schmal, der sich aber vergrößern und den Bruch nach sich ziehen wird, den nie wieder zu behebenden Bruch zwischen dem Kontinent der anderen und dem Leid des Ich, wenn die Tat, die schrecklichste Tat, der einzige Weg hin zum anderen wird . Doch da stimmte was nicht, sagte er sich sogleich und schüttelte den Kopf, wie um seine Gedanken zu ordnen.
    »Aber warte mal . ich habe ihn gesehen . er hat die Kapelle betreten, um zu versuchen .«
    »Leonard, du bist ein guter Mensch. Louis-Marie ist nicht in die Kapelle getreten, um zu versuchen … wie du sagst.«
    Blendender, greller Blitz. Gaelle: Blanche hat Charles' Leiche ins Innere der Kapelle gezogen. Also hat sie die Tür öffnen können. Er taumelte unmerklich, aber er taumelte, während Blanche mit monotoner Stimme fortfuhr: »Er hat die Kapelle betreten, weil ich ihn vorher mit der Eisengieskanne niedergeschlagen und dann ins Innere gestoßen habe.«
    Das Blut auf dem verstörten Gesicht von Louis-Marie.
    »Das musste aufhören, verstehst du? Ich habe ihn niedergeschlagen, den Schlüssel aus seiner Tasche gezogen, habe die Tür halb geöffnet und ihn ins Innere gestoßen, damit er stirbt«, schloss sie ganz sachlich.
    Chib versuchte zu atmen. Die Luft war unter seinem Adamsapfel eingeklemmt. Schließlich gelang es ihm, einen tiefen Atemzug zu nehmen.
    Blanche öffnete die linke Hand. Ein paar zerknüllte Zettel. Sie reichte sie ihm.
    »Das war in seiner Tasche, neben dem Schlüssel.«
    Voll gekritzelte
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