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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod
Autoren: Brigitte Aubert
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Besorgnis.
    »Ich bin nicht durchgeknallt! Die Kugel, die mich erwischt hat, ist eine deutsche Kugel, vorgesehen für die Mauser der deutschen Armee, kapiert? Man hat mit dem Gewehr von Enguerrand Andrieu auf mich geschossen! Die ganze Soldatenausrüstung des Alten ist im Haus, Louis-Marie hat es mir gesagt.«
    Er wendete in einem gewagten Manöver, und Gaelle schloss die Augen, als sie einen riesigen LKW auf sie zudonnern sah, der sie fast streifte und wütend hupte.
    »Diesmal erwische ich ihn!«, knurrte Chib, der nichts bemerkt hatte und Gas gab.
    Das Tor stand noch offen, und er bremste in einer Kiesgarbe vor dem Landhaus. Alles war still. Nein, korrigierte er sich, das Salve Regina von Pergolese drang aus dem Innern der Kapelle.
    »Sieh nach, was sie machen, beschäftige sie notfalls, ich suche inzwischen im Haus. Vielleicht finde ich Fingerabdrücke auf dem Gewehr.«
    Sie zuckte die Schultern und ging resigniert zur Kapelle. Chib stürmte in Andrieus Arbeitszimmer. Er erinnerte sich an die Militärtruhe in einer Ecke. Er riss brutal den Deckel auf, zog eine saubere, gebügelte Uniform heraus, die nach Mottenpulver roch, den verrosteten Helm, den Louis-Marie getragen hatte, eine unlängst gesäuberte Patronentasche, ein altes Messbuch aus hauchdünnem Papier, ein militärisches Handbuch in deutscher Sprache, und dort, unter dem Tornister, ein Mauser-Gewehr in perfektem Zustand. Um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, ergriff er es mit dem geflickten Hemd, legte es auf Andrieus Schreibtisch und verspürte dabei eine finstere Befriedigung, als er plötzlich die Explosion vernahm.
    Er dachte zunächst an die Fehlzündung eines Wagens, warf einen Blick aus dem Fenster und erstarrte. Rauch stieg aus der Kapelle. Dicker grauer Rauch, der wie eine Nebelbank unter der geschlossenen Tür hervorkroch. Was konnte das sein?
    Er stürzte nach draußen, rannte, so schnell er konnte, zur Kapelle, trotz des plötzlich wieder aufflammenden Schmerzes und seines viel zu schnell schlagenden Herzens. Der Rauch war inzwischen so dicht, dass er husten musste, als er den Türgriff drehte. Verriegelt, er versuchte es noch einmal, stieß mit aller Kraft gegen die Tür, vergebens.
    Und jetzt hörte er die Schreie. Er wich zurück, gerade rechtzeitig, um die Feuerzunge aus einem zerbrochenen Fenster kommen zu sehen.
    Feuer! Er spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Die Kapelle stand in Flammen, und sie waren im Innern gefangen. Blanche im Innern der Kapelle gefangen. Ihm wurde übel, er beugte sich vor, doch er übergab sich nicht. Eine Leiter! Bis zu einem der schmalen Fenster hochsteigen, sie dort rausholen. Er drehte sich um, seine Augen tränten vom Rauch, eine Trommel hämmerte in seinem Schädel, und er rannte zu Costas Werkzeugschuppen. Er griff nach der großen Aluminiumleiter, die neben einem nach Benzin riechenden Kanister an der Wand lehnte, und hievte sie, die Hände nass von Schweiß, auf seine Schulter. Er schwankte unter ihrem Gewicht wie ein betrunkener Matrose und legte die etwa zwanzig Meter zur Kapelle keuchend zurück. Die Leiter knallte krachend auf die Steine, und er sagte sich, dass er sie niemals würde aufrichten können, um sie an die Mauer zu lehnen. Vorgebeugt, die Hände auf den Knien, versuchte er, wieder zu Atem zu kommen, als er plötzlich Charles unter der Trauerweide hinter der Wildrosenhecke sah.
    »Schnell!«, brüllte er, »hilf mir!«
    Der Junge starrte ihn nur unverwandt an, wand sich ein wenig, und Chib hätte ihn am liebsten erdrosselt. Was musste dieser Idiot da an dem Ast hängen?
    Ast.
    Hängen.
    Entsetzt sah er jetzt den Strick, der den Hals des Jungen mit dem Ast verband. Geöffneter Mund. Leichtes Drehen des Oberkörpers. Vorquellende Augen. Charles hatte sich erhängt. Hatte er also das Feuer in der Kapelle gelegt? Hatte also auch er .?
    Gedanken, die drunter und drüber gingen, Kolonie von roten Ameisen, die wimmelten und brannten und den Humus der Gefühle durchwühlten.
    Ein Schrei. Der Angstschrei eines Kindes, durchdringend, markerschütternd. Es war, als hätte man ihn mit einem glühenden Eisen berührt. Sein Blick war verschleiert, von der Anstrengung war die Wunde wieder aufgeplatzt, doch es gelang ihm, die Leiter unterhalb eines der kleinen Fenster anzulehnen, während aus dem anderen, dem geborstenen, die Flammen schlugen, gelb und blau. Das Gas! Das hatte vorhin in der Kulisse gefehlt: die Gasflasche!
    Er setzte den Fuß auf die erste Sprosse und begann, die Leiter zu
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