Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod
Autoren: Brigitte Aubert
Vom Netzwerk:
dem berühmten »Moreno-Impuls«, trat Chib zu ihm.
    »Ah, Sie sind noch da!«
    Paul lächelte ihm leicht betrunken zu.
    »Warum hatte Ihre Frau eine Depression? Warum haben Sie die anderen an eine Liaison zwischen Clotilde und Ihnen glauben lassen?«
    Paul kniff die Augen zusammen, tippte Chib mit einem tadelnden, aber freundschaftlichen Zeigefinger auf die Brust.
    »Guter Jagdhund«, bemerkte er mit einem verschmitzten Lächeln. »Ein echter Spürhund! Noemie hatte eine Depression, weil dieser Saukerl von Costa sie fallen lassen wollte, wenn Sie's genau wissen wollen. Und was Clotilde anbelangt, so war Noemie eifersüchtig auf unsere Freundschaft; sie kann nicht verstehen, dass ein Mann Freude daran haben kann, mit einer Frau zu diskutieren, und noch dazu mit einer hässlichen! Also hat sie es vorgezogen, das Ganze zu einer Bettgeschichte zu machen. Sie wissen ja, Angriff ist die beste Verteidigung …«
    Bravo, beglückwünschte sich Chib, du hast ins Schwarze getroffen!
    »Und Costa - war Ihnen das egal?«
    Paul schwankte leicht, ohne sein jungenhaftes Lächeln abzulegen.
    »Und wie! Meine Sache, das sind die Nutten. Nicht die alte Nutte mit Krampfadern, nein, das Call-Girl für fünfhundert Dollar. Meine Frau ist sympathisch, aber ihr fehlt etwas . na ja, Sie wissen schon«, fuhr er fort und knackte vor Chibs Nase mit den Fingergelenken. »Sie werden sich fragen, warum ich Ihnen das alles erzähle. Weil ich voll bin wie eine Haubitze und weil mir Ihre Visage gefällt. Erinnern Sie sich an die Budenbesitzer auf den Jahrmärkten, als wir noch klein waren? Ja, Sie erinnern mich an einen von diesen guten alten Budenbesitzern. Gut, jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss mich beeilen. Wir gehen nämlich heute Abend ins Theater, und Noemie macht mir sonst eine Szene.«
    Er entfernte sich leicht torkelnd, und Noemie fuhr abrupt an, sobald er eingestiegen war.
    Chib ging zu Gaelle, die schon neben dem Floride wartete.
    »Sag mal, was machst du denn die ganze Zeit?«
    »Schnüffeln …«
    »Schnüffeln nennst du das? Lass uns abhauen. Mir reicht es, ich finde es unheimlich hier.«
    »Hast du dich denn nicht mit deiner Freundin Louise amüsiert?«
    »Hör auf, sie ist mir den ganzen Nachmittag mit ihrem Enguerrand auf den Keks gegangen.«
    Der Kies knirschte, sie drehten sich gleichzeitig um und sahen Blanche zur Kapelle gehen.
    »Und, hopp, ein kleiner Besuch im Mausoleum, um einen gelungenen Abschluss für den Tag zu finden«, spottete Gaelle. »Also machst du jetzt den Wagen auf, oder bleiben wir hier, um Kulisse zu spielen?«
    Er öffnete die Wagentüren, ohne die Kapelle aus den Augen zu lassen. Gaelle trommelte mit den Fingern auf die Armlehne. Er nahm ebenfalls Platz, drehte den Zündschlüssel. Im Rückspiegel sah er Andrieu und Dubois, dann Belle-Mamie, begleitet von Eunice und Annabelle, die jetzt auch auf die Kapelle zusteuerten.
    Und schließlich Charles und Louis-Marie mit schlurfendem Gang.
    Die Familie, alle Mann hoch.
    Er fuhr durch das Tor mit dem ärgerlichen Gefühl, dass irgendetwas in der Kulisse nicht am richtigen Platz war. Und allein schon der Begriff >Kulisse< trug zu seiner Verärgerung bei.
    Bedrängt von Gaelle, die ihn mit Fragen löcherte, fasste er für sie zusammen, was er in Erfahrung gebracht hatte, nickte zu ihren Ausrufen der Überraschung und versank wieder in finstere Gedanken. Der Manipulator, der Drahtzieher musste sich ins Fäustchen lachen. Nein, falsch, Chib, es ist nicht lustig, anderen wehzutun, das brennt wie Säure, das verätzt, als Echo dieses inneren Feuers, das einen bedrängt und verschlingt.
    »Stell dir mal vor, wie schrecklich das gewesen sein muss … Krieg auf der Seite der Deutschen zu führen«, sagte Gaelle.
    »Wie?«
    »Es ist wirklich immer wieder ein Vergnügen, sich mit dir zu unterhalten. Ich sagte, dass Enguerrand Andrieu de Glatigny im Ersten Weltkrieg auf Seiten der Deutschen gekämpft hat, weil er im Elsass lebte. Nach Kriegsende ist er in den Süden gezogen wegen seiner angegriffenen Lunge, und hier lernte er zehn Jahre später Louise kennen. Sie war achtzehn, er knapp dreißig.«
    Wer hatte unlängst von Deutschland gesprochen?, fragte sich Chib, während er den Wagen durch eine Haarnadelkurve lenkte. Großer Gott, ja, genau!
    Er trat so brutal auf die Bremse, dass Gaelle fast mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe geflogen wäre.
    »He, spinnst du, oder was!«
    »Das Gewehr aus der deutschen Armee!«
    Sie musterte ihn mit einer gewissen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher