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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest
Autoren: Stefanie Ruehle
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rabenschwarz.
    Meine Mutter schimpfte weiter und fuhr mich schließlich zu meinem Vorstellungsgespräch, zu dem sie mir noch ein paar aufmunternde Worte mitgab: »Hechschde Zeit, dass du lernsch, dass em Läbe ned alles nach deim Kopf geht. Fir älles muss mer Opfer brenge. Omsonschd isch der Dod. On der koscht’s Läba.«
    Zwei Stunden später hatte ich einen neuen Job in der Tasche – es herrschte in Jochens Redaktion anscheinend veritabler Notstand, sonst hätten sie mich momentan Gehirn- und Augenamputierte nicht vom Fleck weg eingestellt – und ließ mich von meiner Mutter in ihrer goldenen Schleuder abholen.
    »Ich kann es noch gar nicht glauben: Zum nächsten Ersten geht’s los. Wahnsinn. Zum Glück bin ich bei den PR-Hansels noch in der Probezeit – und habe bisher nur Müll abgeliefert. Die lassen mich sicher gerne aus dem Vertrag«, stellte ich matt fest.
    »Gud gmacht! Ond des sogar vor em Friseurtermin!«
    Schließlich parkte meine Mutter irgendwo hinter dem Wagenburgtunnel im Osten, wo ich mich überhaupt nicht auskannte – und schon wieder im schönsten Halteverbot.
    »Da geht’s aber nicht zu deiner Friseurin!«, sagte ich misstrauisch.
    »Noi, aber die isch gud. Komm scho!« Damit ich ihr nicht ausbüchste, zog sie mich am Arm hinter sich her in einen unscheinbaren kleinen Salon, an dem ich glatt vorbeigelaufen wäre.
    »Grieß Gott, mir henn en Termin«, sagte meine Mutter als Begrüßung zu einer endlos langen, dunkelhaarigen Frau, die gerade Tee aufbrühte und uns stumm zunickte.
    »Die schwätzt ned viel. Sähr angenehm«, flüsterte meine Mutter mir zu.
    »Woher kennst du die denn?«, fragte ich misstrauisch.
    »Geheimtipp«, gab sie nur lapidar zurück. Dann sagte sie zu der Frau: »Do, frisiered Se des arme Mädle bidde so, dass es wieder aussieht wie en Mensch! I gang so lang en Kaffee drenka!« Die Ladentür fiel hinter ihr zu.
    Die Friseurin nickte mir zu und geleitete mich zu einem Frisierplatz. Dort begann sie skeptisch an meinen Haaren herumzuzupfen, seufzte und gab schließlich doch noch Laut. »Ganz falsches Farbe«, erklärte sie kopfschüttelnd. »Grässlick. Nix harmonisch mit Gesickt.«
    »Nix harmonisch. Das sehe ich genauso«, sagte ich zustimmend.
    »Ich bring in Ordnung«, erklärte sie grimmig.
    In den nächsten zwei Stunden wurde in absoluter Stille wahnsinnig viel gebürstet, höchst selten geschnitten und in Zeitlupe erstaunlich gut riechende Flüssigkeiten auf meinen Kopf aufgetragen.
    Schließlich sagte die schweigsamste Friseurin der Welt: »Färtig.«
    Sie führte mich mit dem Gesicht einer Katze, die eben einen Vogel gefressen hat, zu einem Spiegel.
    »Wow!«, entfuhr es mir. »Was macht denn Juliette Binoche hier? Kann ich ein Autogramm haben?«
    Die Friseurin entfuhr ein Kichern und sie erklärte höchst zufrieden: »Gut! Jetzt glicklick.«
    Staunend zupfte ich an meinem Haupthaar herum, das sich vom Karottensalat zur prominenten Haartracht gemausert hatte. Zum ersten Mal in meinem Leben überhaupt standen meine Flaschenreiniger nicht wie durchgedrehte Antennen in alle Richtungen ab, sondern lockten sich im Dreißiger-Jahre-Style charlestonmäßig um meinen Kopf. Am besten aber war die Farbe: ein sattes Schokobraun, das tausendmal besser als jedes Drogeriemarktschwarz war!
    Ich strahlte mich an und murmelte: »Der Kobold ist tot – es lebe Juliette!«
    Mit dem neuen Kopf hatte ich wieder eine Perspektive. Die Leute würden mich im Beruf ernst nehmen, meine nächste Beziehung würde ein voller Erfolg werden und die Verleihung des Nobelpreises war jetzt auch nur noch eine Frage der Zeit.
    Unsanft wurde ich von meiner rosa Wolke gerissen, als jemand in meinem Rücken laut in die Hände klatschte.
    Meine Mutter stand vor mir. Mit Tränen in den Augen. »Mei Mädle. Bisch du schee!«
    »Vorher nicht?«, fragte ich leicht beleidigt.
    Meine Mutter und die Friseuse schüttelten unisono die Köpfe.
    »Nix schee«, erklärte Letztere im Brustton der Überzeugung.
    Ob ich sie noch einmal aufsuchen würde, musste ich mir trotz ihres Wunderwerkes noch gut überlegen.
    Fünf Minuten später brausten wir durch den Wagenburgtunnel zurück Richtung Innenstadt. Höchste Zeit, meine Mutter von ihrer Schnapsidee abzubringen.
    »Du wolltest aber noch nicht gleich losfahren, oder? Ich meine, das mit den Haaren war ja eine wirklich gute Idee. Und eine am Tag reicht doch, meine ich. Wir sollten eine Nacht über unseren Lübeck-Ausflug schlafen. Vielleicht meldet sich Volker ja auch
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