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0825 - Feuertraum

0825 - Feuertraum

Titel: 0825 - Feuertraum
Autoren: Christian Montillon
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Das Radio spielte »I’m an alien, I’m a legal alien… I’m an englishman in New York« von Sting. Ron Feeney grinste. Damit konnte er sich bestens identifizieren. Seit der Engländer hier in Frankreich unterwegs war und für seine Doktorarbeit den Verlauf der Loire genau verfolgte, fühlte er sich genauso. Fremd, obwohl er mit gutem Recht hier war.
    »Die Flurbereinigung der Loire und ihre Folgen für den Erhalt der Weinwirtschaft zwischen den Weltkriegen«
    - wie hatte er nur so verrückt sein können, Jahre seines Lebens darauf zu verwenden? Sicher, das Stipendium brachte Geld, aber waren die Wechselwirkungen zwischen Geologie und Finanzwirtschaft - so faszinierend sie sicherlich waren, ja, ja, das würde er immer wieder bezeugen - wirklich das Geeignete für ihn?
    Ron begann mitzusingen, obwohl er den Text nicht wirklich kannte, und nach einigen Sekunden kam schreckliches Kauderwelsch heraus. Ihm war es gleichgültig, denn es hörte ihn ja niemand.
    Niemand?
    »Ron Feeney«, sagte plötzlich eine Stimme von hinten.
    Rons Herzschlag beschleunigte sich. Instinktiv trat er auf die Bremse, und es war großes Glück, dass der hinter ihm fahrende Wagen genügend großen Abstand einhielt. Der Fahrer hupte lang anhaltend und zog an Feeneys Wagen vorbei.
    Ron blickte nur nach hinten, nahm nichts anderes wahr als die Frau, die auf seinem Rücksitz saß. Ihr Anblick verschlug ihm die Sprache - aus mehreren Gründen. Sie war wunderschön, und sie wirkte fremdartiger als alles andere, das Ron bisher gesehen hatte. Lange weiße Haare fielen ihr glatt über die Schultern und wie ein Wasserfall an beiden Seiten des Körpers herab, bis sie die Sitze der Rückbank berührten. Ihre Gesichtshaut war bleich, doch der Mund leuchtete rot.
    »Ron Feeney«, wiederholte sie seinen Namen. In der Stimme lag ein Timbre, das Ron eine Gänsehaut verursachte.
    »Was… was…?«, stotterte er. Die Frage, die ihn eigentlich beschäftigte, kam nicht über seine Lippen. Wie kommen Sie hierher in meinen Wagen?!
    »Du bist genau der Richtige.« Die Weißhaarige hob ihre schlanken Arme. Ron streckten sich feine, anmutige Hände entgegen.
    Die Unbekannte konnte höchstens dreißig Jahre alt sein, womöglich erst fünfundzwanzig. Wieso in aller Welt waren ihre Haare weiß? Eine Krankheit? Handelte es sich bei ihr um einen Albino? Ron hatte davon gehört, aber sein Wissen darüber war diffus. Gab es überhaupt weibliche Albinos? Und müssten ihre Augen dann nicht rot sein? Rot und nicht braun?
    »Was soll das heißen?«, presste er hervor.
    »Ich benötige Hilfe, und ich denke, du kannst sie mir geben.« Sie lächelte.
    »Hilfe?« Ron kam sich unendlich beschränkt vor - er war nur dazu fähig, irgendwelche Worte vor sich hin zu stottern. He, Meister, reiß dich zusammen! Ja, du hast eine Frau im Auto, aber nun kehr mal wieder zurück in die Welt der Lebenden … du bist ein Doktorand, du hast studiert, guten Morgen, Ron - du bist dazu fähig, komplette Sätze zu bilden! »Natürlich helfe ich Ihnen gerne, aber ich wundere mich…«
    »… wie ich in deinen Wagen komme? Das ist doch kein Problem, mein lieber Ron.« Ein helles Lachen folgte, und ihre Zungenspitze huschte über die Lippen.
    Hasen, durchzuckte es Ron Feeney. Es ist typisch für Hasen, dass Albinos geboren werden. Doch nicht für Menschen, oder? »Vielleicht sollten Sie es mir erklären, und dann können wir darüber reden, wie ich Ihnen behilflich sein kann.«
    Sie streckte sich und zeigte nach draußen. »Du solltest erst einmal weiterfahren, denn falls es dir noch niçht aufgefallen ist, gibt es hier keinen Standstreifen und du blockierst eine Spur der Fahrbahn. Wenn dir ein Auto entgegenkommt, wirst du noch einen Unfall verursachen.« Sie legte den Kopf zurück und fuhr sich durch die langen Haare. Dabei spannte sich das Kleid über ihren Brüsten, und jetzt erst bemerkte Ron, wie eigenartig auch ihre Kleidung war.
    Ein langes, weich fallendes weißes Kleid, um den weiten Ausschnitt herum mit einem goldenen Band versehen. Ihre Arme lagen völlig frei. Um den Hals hatte sie ein ebenfalls weißes Tuch geschlungen, das über den Rücken fiel.
    Sie sieht aus wie eine Braut, dachte Ron, verbesserte sich jedoch sofort wieder. Nein, eher wie ein Engel. Aber tauchten Engel einfach so aus dem Nichts auf und redeten? Oder…
    »Fahr los, Ron Feeney!«
    Instinktiv gehorchte er, und kaum bewegte sich der Wagen, sah er im Rückspiegel, wie die Gestalt seiner ungewöhnlichen Besucherin
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