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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest
Autoren: Stefanie Ruehle
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dunklen Reisebüro. Es war abgeschlossen. Das passte ja. Dann sah ich das kleine Schild: »Öffnungszeiten: 14 bis 18 Uhr. Bitte klingeln.« Es musste kurz vor sechs sein. Also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen – und klingelte.
    Kurz darauf wurde Licht angeknipst und ein alter Bekannter näherte sich der Ladentür. Hein, der knorrige Busfahrer, schloss die Tür auf und musterte mich eingehend, während ich außerstande war, auch nur ein Wort zu sagen.
    »Du schon wieder«, seufzte er schließlich und kniff die Augen zusammen. »Ich hätte dich fast nicht erkannt! ... Und wie war das noch?« Er überlegte kurz, dann trompetete er: »Wir kaufen nix!« Und knallte mir die Tür vor der Nase zu.
    Perplex setzte ich mich an den Bordsteinrand und starrte niedergeschlagen in einen Gulli.
    Exakt diese Botschaft hatte ich erwartet. Zwar nicht überbracht von einem Angestellten mit Maurerdekolleté. Aber die norddeutschen Prinzen machten sich anscheinend nicht gerne selber die Finger schmutzig.
    Ich vergrub meinen frisch frisierten Kopf zwischen meinen Armen und versank in meinem Elend.
    Auf einmal fühlte ich eine Hand auf meiner rechten Schulter. Sicher ein empörter Lübecker, dessen ästhetisches Empfinden durch ein schluchzendes Schwabenmädle am Straßenrand gestört wurde.
    Ich schluckte. »Ja, ja, ich geh ja gleich«, sagte ich leise.
    Doch die Hand blieb.
    Ich drehte mich um.
    Das konnte doch nicht ... Wie sollte denn ... Neben mir auf dem Bordstein saß Lex Barker und musterte mich aus zusammengekniffenen Augen.
    »Sag mal, Karotte, wo ist dein Salat? Und was, zum Henker, willst du hier überhaupt? Gerade eben erst hast du den Frosch noch an die Wand gepfeffert, weil du zwar mit ihm in einem Bettchen schlafen, nicht aber mit ihm von einem Tellerchen essen wolltest .«
    »Ja, aber das war doch alles Blödsinn. Denn kaum hatte ich den Frosch an die Wand gedonnert, da war der gar nicht tot, sondern hat sich in einen wunderschönen Cowboy verwandelt – und ich hätte ihn wahnsinnig gern in meinem Wigwam behalten . Manchmal täuscht sich so eine Königstochter eben. Die goldene Kugel ist ihr einfach ein paarmal zu oft auf den Kopf gedonnert. Deshalb hat sie einen mittelschweren Dachschaden. Das ist ihr dann aber leider erst klar geworden, als der Frosch-Cowboy einfach in den Sonnenuntergang geritten ist.« Ich seufzte. »Deshalb hat die verwirrte Königstochter ihre Karotten einer armen Frau gegeben, die nichts zu essen hatte. Anschließend hat sie die böse Hexe in einem goldenen Sarg quer durch Deutschland kutschiert und dann mutterseelenallein im Wald ausgesetzt. Das ist alles.«
    »Du weißt schon, dass Leute, die in der dritten Person von sich sprechen, ziemlich merkwürdig sind – und meistens ein nicht verarbeitetes Kindheitstrauma mit sich rumschleppen?«, fragte Volker.
    Ich nickte eifrig. »Bestimmt sogar. Mein Kindheitstrauma fährt zum Beispiel gerade mit einer goldenen Kutsche quer durch Deutschland.«
    Volker lächelte. »Na, da bin ich ja froh, dass wir eine völlig logische Erklärung für dein merkwürdiges Verhalten gefunden haben. Aber deine Karotten, musstest du die unbedingt der alten Frau schenken? Ich fand die sehr lustig – und auch nützlich, falls wir mal dringend einen Pfeifenreiniger gebraucht hätten. Stattdessen sitzt jetzt auf einmal Sophia Lollobrigida, Gina Loren oder wie diese umwerfende italienische Sexbombe aus den Sechzigern heißt, vor meinem Laden auf dem Bordstein und heult in den Gulli. Da kann ich als Marzipanschweinchen schlecht dagegen anstinken. Denn, falls dir das bisher entgangen sein sollte – ich bin kein bisschen prominent.«
    »Also bitte«, empörte ich mich. »Ich bin keine Sexbombe aus den Sechzigern. Sondern ganz klar Juliette Binoche!«
    Er blies die Backen auf und prustete los.
    Ich schimpfte empört: »He! Du kannst dich doch nicht über jemand lustig machen, der unter der Pont Neuf fast ertrunken wäre! Überhaupt: Ich finde meine Haare toll. Du weißt doch, Frauen müssen oft auch äußerlich ein Signal setzen, wenn sie bereit sind, grundsätzliche Dinge in ihrem Leben zu ändern.«
    Schlagartig hörte er auf zu lachen. »Das bedeutet die hinreißende Schokofrisur? Dass du entschlossen bist, dein Leben grundsätzlich zu ändern?«
    Ich nickte eifrig.
    »Und könnte zu diesen Veränderungen eventuell eine starke Beanspruchung der Zugstrecke Lübeck-Stuttgart zählen? Mindestens alle zwei Wochen? Mit jeweils einwöchigem Aufenthalt des Bahnreisenden in einer
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