Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende
Autoren: Giancarlo de Cataldo
Vom Netzwerk:
mehr eine Frage der Zeit.
6.
    Die Suche nach Stalin Rossetti war zu seiner Obsession geworden. Und nun stellte sich heraus, dass der andere ihn suchte.
    – Wir müssen uns unterhalten, hatte er zu ihm gesagt. Du und ich. Allein. Das war also der Mann. Das Arschloch. Patrizias Ehemann. Scialoja hatte Camporesi beschworen, ihm ja nicht zu folgen. Camporesi hatte darauf bestanden, dass er zumindest irgendein Erkennungszeichen bei sich trug, und sei es auch nur das Handy. Aber Scialoja hatte alle vernünftigen Vorschläge in den Wind geschlagen.
    Es war eine Sache zwischen ihnen beiden. Ihm und Stalin Rossetti.
    Das war also Patrizias Mörder.
    – Bevor du mich fragen kannst. Er hat sich umgebracht. Ich wollte ihn dir lebendig ausliefern, aber er war schneller als ich.
    Scialoja beugte sich über Guercios Leiche. Keine schmerzverzerrte Miene, keine Grimasse in Todesangst. Nur eine absurde Heiterkeit.
    – Der arme Teufel hat nichts damit zu tun. Du warst es.
    – Aber was redest du! Was redest du! Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie verbunden wir waren, Patrizia und ich. Ja, ich habe sie zwar auf dich angesetzt. Aber nur, weil Vecchio mich dazu gezwungen hat.
    – Was hat Vecchio damit zu tun?
    – Er hätte sich nicht für dich entscheiden dürfen. Das war nicht richtig. Er hätte mich nicht wegwerfen dürfen wie einen alten Schuh! Er allein trägt die Schuld. Du hast ja keine Ahnung!
    Er klang ehrlich. Er täuschte Aufrichtigkeit vor. Scialoja war zu keinem Urteil mehr fähig. Seit Tagen hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Und jetzt fühlte er sich kraftlos, leer, den Tränen nahe. Hatte Patrizia diesen Mann wirklich geliebt?
    – Was ich dir jetzt vorschlagen möchte …
    – Du kannst mir gar nichts vorschlagen. Ich weiß, womit man dich vom Angesicht der Erde tilgen kann …
    – Wer würde das leugnen? Ich muss dir sogar ein Kompliment machen! Du warst sehr gut dabei, mich ausfindig zu machen, du hast alles über die Catena herausgefunden … schau, du kannst mit mir machen, was du willst. Sofern du tausend Opfer auf dem Gewissen haben willst.
    – Was willst du damit sagen?
    Seufzend erzählte ihm Stalin von der Bombe. Scialoja nahm den Kopf in die Hände. Tausend Tote. Tausend Tote. Warum hatte ihm Vecchio diese Last aufgebürdet? Um ihn zu korrumpieren? Um ihn zu martern? Warum? Ich möchte davonlaufen, dachte Scialoja. Ich möchte weg von hier. Das ist nicht mein Leben. Ich habe keine Wahl. Nicht ich. Nicht jetzt.
    – Wir können dieses Massaker verhindern. Du und ich. Natürlich nur, wenn es ein paar Zugeständnisse gibt. Eine Kleinigkeit, damit die da unten Ruhe geben und ähnlich unangenehme Episoden in Zukunft vermieden werden … Nichts Großes, mittlerweile begnügen wir uns damit, wenn ein paar aus den Sondergefängnissen verlegt werden … vielleicht könnte man die Asinara und die mörderischsten Bunker schließen … die Haftbedingungen etwas erleichtern … mit einem Wort ein Zeichen. Nur damit sie verstehen, dass der Wind sich gedreht hat … dann …
    – Dann?
    – Dann gibt es da noch ein kleines privates Problem …
    Scialoja gab ihm zu verstehen, er solle weitersprechen. Stalin Rossetti faltete die Hände wie zum Gebet.
    – Ich möchte Deinen Posten, Scialoja.
    Scialoja bekam einen hysterischen Lachanfall.
    – Du willst meinen Posten? Du willst meinen Posten?
    Stalin Rossetti wurde aschfahl.
    – Was gibt es da zu lachen, hä? Ich lass die tausend Arschlöcher in die Luft fliegen, ich schwöre es dir. Eine Person wartet nur auf meinen Anruf, wenn ich nicht innerhalb einer Stunde anrufe …
    – Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie gern ich dir meinen Posten abtreten würde, flüsterte Scialoja, auf einmal ernst. Vecchio hat einen Fehler begangen, als er sich für mich entschieden hat. Er hätte sich für dich entscheiden sollen!
    Aah, Aah! Diese Worte waren Balsam für seine Seele. Am liebsten hätte Stalin Rossetti den Trottel umarmt. Sicher war er nicht der Richtige. Er war bloß tatsächlich so dumm, nicht zu verstehen, dass Vecchio keinen Fehler begangen hatte. Auch wenn es nicht ganz klar war, ob Vecchio sich geändert hatte … ob er sich in den Kopf gesetzt hatte … ein Guter zu werden … man weiß ja, angesichts des Todes scheißen sich viele in die Hosen … er hatte schon miterlebt, wie überzeugte Atheisten bei den ersten Anzeichen der Inkontinenz zu bibbernden Betschwestern geworden waren … oder ob er sich bloß auf seine … auf seine unnachahmliche …
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher