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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Prolog
Auf dem Land in der Nähe von Caserta, Sommer 1982
    Der Mann, den sie umlegen sollten, hieß Settecorone. Seine Selbstsicherheit grenzte an Leichtsinn, denn er versteckte sich in einem Bauernhaus mitten im Territorium der Casalesi, im Gebiet der Verräter, beschützt von einem Netz von Informanten, die eigentlich für die Sicherheit des Verstecks hätten garantieren sollen. Pech für ihn, dass einer von ihnen, ein kleiner Gauner aus Acerra, schon seit geraumer Zeit auf der Gehaltsliste der Catena stand. Vecchio hatte Stalin Rossetti mit der Aufgabe betraut.
    – Warum denn? Dafür sind wir nicht zuständig!
    – Natürlich nicht. Sie sollen auch nur Deckung geben. Wenn Ihnen etwas Merkwürdiges auffällt, hauen Sie augenblicklich ab.
    Nun lehnte Stalin, versteckt in einem dichten Pinienwäldchen, an seinem Land Rover und rauchte, kaum hundert Meter von der Via Domitiana entfernt, in Blickweite des Bauernhauses … es war ein Nachmittag wie aus einem Spaghettiwestern, in dieser Landschaft wie aus einem Spaghettiwestern, in der es nur so wimmelte von Kleinkriminellen, Huren und armen Teufeln, die kein menschliches Handeln und auch kein göttliches Wunder jemals von ihrer banalen Spaghettiwestern-Existenz hätte erlösen können. Ciro ’o Russo, das Camorramitglied, das die Exekution durchführen sollte, war vor ein paar Minuten hineingegangen: ein nach Luft ringender Fettsack, der den ewigen Zwiebelgestank mit literweise Kölnischwasser der Marke „Je teurer, desto besser“ zu übertönen versuchte. Stalin rauchte und dachte nach. Die Camorra war dafür zuständig, aber auch der Staat. Die Drecksarbeit mussten allerdings immer sie erledigen. Sie von der Catena.
    Settecorone war einer der verlässlichsten Killer von Don Raffaele Cutolo. Seinen Namen verdankte er den Kronen, die er sich auf die rechte Schulter hatte tätowieren lassen, zur Erinnerung an die Feinde, die er umgelegt hatte: sieben Kronen, sieben Skalps. Aber nicht irgendwelche unbedeutende Skalps, die zählte er nicht mehr. Qualitätsskalps sozusagen, von Kapos aufwärts, sogar ein Bürgermeister war darunter, der seine Vorstellung von „Recht und Gesetz“ nicht hatte aufgeben wollen. Settecorone war ein Knallharter, einer, der nicht klein beigab, der seinem Boss, der ihm Bildung, Rang, Ansehen – mit anderen Worten Hoffnung – gegeben hatte, treu bis zum Tode war. Vor etwas mehr als einem Jahr, als die Roten Brigaden den Stadtrat Ciro Cirillo entführt hatten und an höchster Stelle beschlossen worden war, für Cirillo zu tun, was man Aldo Moro aus Hochmut verweigert hatte, nämlich mit den Entführern zu verhandeln, hatte sich Cutolo als wertvoller Verbündeter erwiesen. Dank seiner Vermittlung hatten Staat und Terroristen eine zufriedenstellende Übereinkunft getroffen, und die Geisel war nach drei Monaten freigelassen worden. Die Kampfgenossen hatten ein wenig Kleingeld erhalten, das sie aufs Neue in den Kampf für die Befreiung des von den Kapitalisten unterdrückten Volkes investierten. Cutolo hatte alle möglichen Garantien erhalten: freie Hand im Kampf gegen die rivalisierenden Clans und das Versprechen, beim Wiederaufbau des vom Erdbeben 1980 zerstörten Südens kräftig mitmischen zu dürfen. Und noch etwas war Cutolo versprochen worden: Man würde versuchen, seine Haftstrafe zu verkürzen. Keiner konnte sich erklären, in welchem Anfall von Wahnsinn der Boss der Neuen Camorra das O. K. für die Operation gegeben hatte. Denn nur ein Verrückter konnte glauben, dass der Staat tatsächlich einen Häftling freilassen würde, der eine Haftstrafe von mehrmals lebenslang absaß. Gewisse Grenzen wagte nicht einmal Vecchio zu überschreiten. Schon gar nicht die Grenze der
convenienza
, der Kosten-Nutzen-Rechnung. Man hatte bereits mehr als genug für Cutolo getan, und Cutolo, der als kluger und umsichtiger Boss galt, hätte das eigentlich kapieren müssen. Aber kaum war die Euphorie über den günstigen Verhandlungsausgang vorüber, war Cutolo nicht nur nicht seinem Ruf als Mann von Welt gerecht geworden, sondern hatte noch dazu Ansprüche gestellt. Es genügte ihm nicht, dass man ihn für unzurechnungsfähig erklärt hatte. Es genügte ihm nicht, dass man ihn aus dem Hochsicherheitstrakt ins normale Gefängnis verlegt hatte. Cutolo wollte frei sein. Cutolo verlangte die Freiheit. Die Kassiber, die aus seiner Zelle geschmuggelt wurden, waren genauso drohend wie eindeutig. Cutolo drohte, es würde Enthüllungen geben, Cutolo drohte, es würde
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