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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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nicht!
    – Ich habe mit offenen Augen geträumt.
    – Muss ich eifersüchtig sein?
    – Um Himmels willen! Ich habe von Sachen geträumt wie … „verändern wir Italien“ … „bringen wir dieses Land auf Vordermann“ … „bringen wir die Kloake der Ersten Republik ans Licht“ … „Schaffen wir eine bessere Zukunft für unsere Kinder“ … „eine zweite, bessere Version der Eroberung des Winterpalastes“ …
    – Wenn man am Demokraten kratzt, kommt der Stalinist zum Vorschein.
    – Ich habe ja gesagt, ich träumte. Gehen wir ins Theater?
    – Zweifaches Wunder! Die Kultur besiegt die Politik? Wohin?
    – Ins Argentina. Carmelo Bene in
Un amleto di meno
.
    – Ich bin gleich fertig.
    Scialoja hatte sein Wort nicht gehalten. Umso besser. Die Versuchung war zu stark gewesen. Die Versuchung, eine Abkürzung zu nehmen. Aber so funktionieren die Dinge nun mal nicht. Die Dinge entwickeln sich langsam. Geduld und Ironie waren dafür vonnöten. Versuchen wir gemeinsam das Ziel zu erreichen, wenn möglich. Und wenn nicht, versuchen wir denen, die zurückbleiben, zumindest die Hand zu reichen. Und dann … fürs Erste werden wir verlieren, auch gut.
    In Zukunft werden wir uns etwas einfallen lassen.
    Alles war nach Plan verlaufen.
    Dem Plan Stalin Rossettis.
    Die Asinara hatte sich geleert.
    Der Ucciardone hatte sich gefüllt.
    Viele verschärfte Haftbedingungen waren aufgehoben worden.
    Ein paar Köpfe waren gerollt, aber es hatte ein Zeichen gegeben.
    Die Mafiosi hatten ein
cadeau
erhalten und sich zumindest fürs Erste beruhigt.
    Angelino war nach einem kühlen Abschied auf die Insel zurückgekehrt.
    Man war übereingekommen, dass das Gelingen der Operation auf sein Konto ging.
    Stalin war das allerdings egal.
    Er hatte die Unterlagen.
    Er hatte Scialoja ein für alle Mal aus dem Weg geräumt. Die Mafiosi hatten die Autobombe verschwinden lassen. Die
convenienza
? Den Parmesan zurückholen. Er konnte sich bei einer anderen Gelegenheit als nützlich erweisen.
    Das virtuelle Attentat hatte mehr Wirkung gezeigt als Tritol und Semtex.
    Tausende Menschenleben waren gerettet worden.
    Wer würde ihn nicht als Wohltäter sehen?
    Alte Freunde waren aus dem Nichts aufgetaucht, um ihm zu gratulieren und Forderungen zu stellen.
    Er hatte die Unterlagen. Er war Vecchios Erbe.
    Die Dinge waren wieder in Ordnung.
    Stalin Rossetti drehte sich um. Der Wächter stand noch auf der Schwelle, mit seinem doofen Gewehr und dem knurrenden Hund.
    – Du bist noch da? Los, hau ab.
    Als Erstes würde er sich des Alten und des stinkenden Hundes entledigen. Dann würde er das Archiv an einen sicheren Ort bringen, wo er es immer im Auge hatte.
    Und dann … dann würde er sich wieder an die Arbeit machen. Wie immer. Er hatte einiges aufzuholen.
    Aber er würde keine offiziellen Ämter annehmen, oh nein, danke, es gibt keinen schlimmeren Herrn als den Staat …
    Er würde sich selbstständig machen.
    Er würde Informationen sammeln und sich dafür bezahlen lassen, sie zu verkaufen. Oder sie nicht zu verkaufen. Das war ganz egal. Das war das Geschäft der Zukunft.
    Jetzt konnte er tun, was er wollte. Alles.
    Als er zum Lastwagen ging, traf ihn die erste Kugel in die Schulter.
    Während er sich ungläubig umdrehte, fragte er sich: Was habe ich falsch gemacht? Es war doch alles so gut organisiert …
    Da. Da lag der Irrtum. Er hatte den Feind unterschätzt.
    Es war aus. Das begriff er, während Camporesi zielte. Und Rocco Lepore neben ihm die Flinte anlegte.
    Mehr sah er nicht mehr.
    Camporesi legte die Waffe weg und zwang sich, keinen Blick auf das zu werfen, was von Stalin Rossettis Gesicht übrig geblieben war. Dann nickte er dem Alten dankend zu. Er hatte noch nie getötet. Er wusste nicht einmal, ob er einen Gnadenschuss abgeben konnte. Der Wächter salutierte.
    – Was sind Ihre Befehle?
    – Ich denke gerade darüber nach, Rocco.
    – Denken ist eine gute Sache. Wenn es nicht zu lange dauert.
    Ja, er musste eine Entscheidung treffen, und zwar sofort.
    Der aufrechte, in gewissem Maße loyale Camporesi. Als alles begonnen hatte, hatte er den Befehl erhalten, die Unterlagen zu finden. Er war ausgesucht worden, weil er der Beste war, natürlich. Der beste Blauäugige, der zur Verfügung stand.
    Er hatte nicht lange gebraucht, das Archiv zu finden. Scialoja war nicht Vecchio. Das wussten alle. Aber auf seine Weise hatte er ihn respektiert. Und am Schluss hatte er beschlossen, bei seinem Spiel mitzuspielen. Wieder ein Spiel, gewiss, aber
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