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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht
Autoren: Louis Begley
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versuchte sie zu küssen, aber sie wandte den Kopf ab und sagte, Schmidtie, ich möchte ein ernstes Gespräch mit dir führen. (Schmidtie nannten ihn seine Freunde, das war ihr aufgefallen; sein Vorname Albert und dessen scheußliche Diminutive mißfielen ihm.)
    Natürlich können wir ein ernsthaftes Gespräch führen, Alice, sagte er, aber erlaubst du mir ein Eröffnungsplädoyer?
    Sie nickte.
    Es ist ganz einfach: Ich liebe dich. Ich habe über alles nachgedacht, was ich dir sagte, als ich dich im Oktober besucht habe. Es war mir damals ernst, und es ist mir jetzt ernst. Bitte gib mir eine zweite Chance, und lebe mit mir, in einer Ehe oder in Sünde, hier in diesem Haus oder in New York oder in Paris oder wo immer du willst – solange wir zusammensein können und solange ich vollständig zu deiner Zufriedenheit bin.
    Er wußte nicht genau, welche Reaktion er erwartet hatte, aber als er ihr Lächeln sah, fühlte er sich erleichtert. Schmidtie, war das ein Eröffnungs- oder ein Schlußplädoyer? Wie nennen Anwälte das? Ein Klagebegehren?
    Ein wenig von beidem, antwortete er. Aber bitte denk daran, daß ich meine Beweisführung noch nicht abgeschlossen habe.
    Dann beeil dich und schließ sie ab, Schmidtie, sagte sie lachend. Laß mich nicht warten.
    Mit einem großen Schritt war er bei ihrem Sessel. Er sank auf die Knie und lehnte den Kopf an ihre Beine.
    Warte, warte, flüsterte sie, ich muß dir auch etwas sagen. Ich wäre nicht hier, wenn ich dich nicht gern hätte, wenn ich nicht mit dir zusammensein wollte. Aber dreizehn Jahre sind vergangen. In unserem Alter ist das so lange wie ein ganzes Leben. Weißt du noch, wie du mir gesagt hast, ich solle mich nicht an einen alten Mann binden? Jetzt bist du sogar noch älter, aber Schmidtie, davor hab ich keine Angst. Sorgen macht mir mein eigener Zustand. Ich weiß nicht, was du von mir halten wirst. Ich bin jetzt auch alt, und ich habe den Körper einer alten Frau.
    Er protestierte, denn er meinte, das gebiete der Anlaß. Er versicherte ihr, sie habe sich nicht verändert, sie sei immer noch die herrliche blonde Schönheit, in die er sich vor Jahren verliebt habe, nie sei sie begehrenswerter gewesen. Und beim Reden merkte er das Wunderbare: Was er ihr sagte, war die Wahrheit.
    Schsch, Schmidtie, antwortete sie, du bist ritterlich, ich weiß. Mußt du auch töricht sein? Hast du dich gefragt, was du vorfindest, wenn ich meine Kleider ausziehe?
    Sie nahm seine Hand, führte sie unter ihr Top und preßte sie gegen ihre Brust. Kannst du die Veränderung fühlen? Schlaff. Alles schlaff geworden, mein ganzer Körper. Schlaff und lasch.
    Er widersprach aufs neue, aber sie sagte: Schsch! Heute nachmittag wird alles in Ordnung sein, wie neu, als wäre es das erste Mal. Aber heute nacht und morgen dann? Du bist ein so höflicher Mensch, daß du wahrscheinlich versuchen wirst, mich jeden Tag zu lieben, solange ich hier bin. Aber es wird dir wie eine Pflichtübung vorkommen, nicht weil du mich nicht liebst oder mir keine Lust verschaffen möchtest, sondern weil wir alt sind. Was wirst du dann machen? Diese Pillen nehmen? Heimlich natürlich. Du bist sehr korrekt.
    O Alice, flüsterte er, sag nichts mehr.
    Aber ich hab dir gesagt, daß wir reden müssen. Wie könnten wir diese grauenvolle Party in Water Mill einfach vergessen? Und dann hast du mich nach London kommen lassen. Warum? Um mich zu maßregeln und zu demütigen. Um sicherzugehen, daß ich wußte, wie wütend du warst. Und danach dann dieser schreckliche lieblose Sex. Wie eine Notzucht. Und dann all die Jahre des Schweigens, bis du aus dem Nichts wieder aufgetaucht bist. Warum? Weil du dir ausgerechnet hattest, daß ich verfügbar bin. Stimmt’s?
    Alice, wir wissen beide, was passiert ist. Ich war ein Narr. Ein Idiot. Das habe ich zugegeben. Ich habe dich um Verzeihung gebeten.
    Und ich habe dir gesagt, daß ich nicht wütend bin, nicht mehr. Und daß ich mit schuld war. Aber wir dürfen nicht wieder stolpern. Das könnte ich nicht aushalten.
    Sie hatte nicht versucht, seine Hand, die auf ihrer Brust lag, wegzuschieben, und er hatte weiter gestreichelt, die eine und dann auch die andere Brust. Gleichbehandlung. Alice begann zu stöhnen.
    Warte, warte, sagte sie. Hör zu. Bitte sprich nicht mehr vom Heiraten. Nicht jetzt. Ich will dich nicht für töricht halten müssen. Überlaß mir, dir die Ehe anzutragen. Wenn ich meine, daß wir soweit sind.
    Das verspreche ich, antwortete er. Ich verspreche es.

II
    Alice schlief so
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