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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht
Autoren: Louis Begley
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schwer vorherzusagen, ergänzte er. Mike behauptet, es sei ein kleines Dinner. Zwei Tische mit je zwölf Personen. Aber Mike hält immer Ausschau nach neuen besten Freunden. So hat er auch mich aufgelesen. Und wer weiß, wen noch. Er hat einen sonderbaren Humor und kümmert sich wenig um die Meinung anderer, aber die Leute können seinen Milliarden nicht widerstehen. Ihr Geruch zieht sie an. Wie Katzenminze. Aber mach dir selbst ein Bild davon. Und jetzt sind wir wirklich da.
    Er bog an der Flying Point Road links ab, fuhr dann rechts in eine Einfahrt und kurbelte das Fenster an seiner Seite herunter. Ein Wachmann trat aus der Dunkelheit und rief: Guten Abend und ein gutes neues Jahr für Sie und die Dame, Mr. Schmidt. Bitte fahren Sie zum Eingang.
    Ihnen auch ein gutes neues Jahr, Carter, rief Schmidt zurück. Carter war ein guter Mann. Er würde den Wagen so parken, daß er in der richtigen Richtung für den Rückweg stand, damit Schmidt nicht rückwärts aus der langen Einfahrt herauszufahren brauchte, eine Kunst, die er früher exzellent beherrscht hatte – meinte er jedenfalls. Jetzt vermied er es möglichst, weil er fürchtete, die üblen Schmerzen, die ihm die dafür notwendige Drehung des Kopfes bereitete, würden die Koordination zwischen seinen Augen und seinen Händen unmöglich machen.
    Eine große Ruhe war über Schmidt gekommen. Alice saß an Mikes Tisch zu seiner Rechten, und Gil war an ihrer anderen Seite. Daß Mike sie zum Ehrengast gemacht hatte, war eine elegante Geste. Mansour wußte weniger als Gil von der Geschichte mit Alice, aber er war von Anfang an für die reizende Dame in Paris gewesen. Noch wichtiger für Schmidt war der Anblick von Alice und Gil, die sehr angeregt miteinander plauderten und lachten. Schmidt fand, daß auch er bei der Sitzordnung gut weggekommen war. Er hatte den Platz zwischen Elaine und Caroline, mit der er sich inzwischen ebenso verbunden fühlte wie mit Mike, er saß in sicherem Abstand zu den drei tiefgebräunten Frauen mit den großen weißen Zähnen und der gelackten blonden Haarpracht. Er kannte weder sie noch die beiden massigen Männer, noch den dritten, der kreidebleich und ausgezehrt war. Die drei Paare – Paare waren sie ganz eindeutig, auch wenn er nicht wußte, welche Frau zu welchem Mann gehörte − schienen einander gut zu kennen. Irgend etwas an ihnen – die langen Kleider in Pastelltönen? Die bunten Fliegen und Kummerbunde? Die Floridabräune? – kam Schmidt gespenstisch bekannt vor, wie der Refrain eines Liedes, an den man sich noch erinnert, wenn die übrigen Worte vergessen sind. Heureka! Der Meadow Club mußte der gemeinsame Nenner sein. Öffnete diese letzte Bastion dessen, was die Hamptons einmal gewesen waren, jetzt selbst dem einen oder anderen superreichen Juden ihre Tore? Das gehört sich doch nicht! Wenn es stimmte, ließ Mike seinen neuen Brummkreisel tanzen, indem er eine Handvoll seiner Clubgenossen einlud. Tatsächlich hatte Schmidt, als die Drinks serviert wurden, mehr arische Musterexemplare als Vertreter des Auserwählten Volks gezählt. Sicher wußte er nur, daß der Hausherr, Gil und Elaine und Joe Canning, wenn der überhaupt da war, dazu gehörten. Bruce Holbein und seine Ehefrau, diese Plaudertasche, und fünfzig Prozent von Alice als Gegengewicht zu den Club-Goyim! Caroline war eine Schickse, davon war Schmidt überzeugt. Das und nichts sonst erklärte, warum sie Joe ertrug. Sie büßte für die Sünden der Judenhetzer, ihrer Mutter, ihres Vaters,ihrer Brüder und Schwestern. Aber wo war Joe? Als Schmidt im Wohnzimmer seine zwei Martinis trank und sich vergewisserte, daß Alice nicht im Aus gelandet war, hatte er ihn nicht gesehen, aber er hatte auch nicht wirklich nach ihm gesucht, und Joe, hinterlistig wie er war, konnte gut hinter einem Fikus gelauert haben. Aber jetzt hätte er aus seinem Versteck herauskommen müssen. Fehlte sonst noch jemand? Der andere Stuhl neben Caroline war leer. Er warf ihr einen fragenden Blick zu.
    Das ist Joes Platz, sagte sie, wie um einer Frage vorzubeugen. Es fällt ihm immer schwerer, mit Gruppen umzugehen, die er nicht kennt, deshalb habe ich Mike gebeten, ihn in einem freien Zimmer mit seinem Wodka allein zu lassen. Mike ist so verständnisvoll! Er hat Joe in das Studio abseits der Eingangshalle geführt und ihn eigenhändig mit einer Karaffe Wodka und einer Schale Kaviar versorgt!
    Mike hat allen Grund, Joe Kaviar zu bringen, dachte Schmidt bei sich, als er Caroline musterte. Er steht
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