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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht
Autoren: Louis Begley
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erklärt, sie wolle in der Küche frühstücken, so wie er jeden Morgen.
    Obwohl sie spät zu Bett gegangen waren – nach der Party bei Mike Mansour hatten sie zu Hause noch heftig geschmust und ein Glas auf das Neue Jahr getrunken –, war sie wegen der Zeitverschiebung früh aufgewacht, und als sie anfing, sich zu regen, wurde auch er wach. Dann erinnerte er sich: Trotz Alices Verfügung, sie werde bei ihm schlafen, aber nur zum Kuscheln – eine Einschränkung, die er dankbar gehört hatte, weil er fürchtete, andernfalls den Test nicht zu bestehen –, hatten sie sich am Ende doch geliebt. Sie hatte ihm deutlich gezeigt, daß sie es wollte. Sie waren nackt zu Bett gegangen: Er lag auf dem Rücken und trieb allmählich in den unbestimmten Raum, der den Schlaf vom Wachsein trennt, da spürte er ihr Hinterteil an seinen Schenkeln. Warm und feucht rieb sie sich an ihm. Wie sollte er darauf reagieren, ohne sie zu erschrecken? In der sie glauben ließ, er habe vergessen, daß nur Kuscheln erlaubt war? War dies vielleicht nur Kuscheln in fortgeschrittenem Stadium? Aus dem Speicher der sechzig Jahre zurückliegenden Erinnerungen in seinem Kopf, oder woher auch immer, tauchte der Refrain eines Songs von Frank Sinatra auf: easy does, yeseasy does it every time . Er begann, den Rhythmus ihres Drängens aufzunehmen, sehr sanft, und glaubte, sich noch im weiten Feld des Kuschelns zu bewegen, glücklich, daß ihre Bewegungen und ihr Atem schneller wurden und daß Feuchtigkeit ihm anzeigte, wie bereit sie war. Aber war er es auch? Er hoffte es. Eine verstohlene Bewegung seiner rechten Hand brachte Bestätigung. Und dann spürte, hörte er sie kommen! Meine Süße, fragte er, willst du? Die Frage war fair; er hatte gelernt, daß ihre erste schnelle Klimax meistens nur ein Vorspiel war. Sie drehte sich zu ihm um und zog ihn an sich, bis er zwischen ihren Beinen lag. Sofort hob sie die Knie an. Ein Glück, das man kaum aushalten kann, dachte er, intensive, tiefe Lust, Heimkehr.
    Die Katzen hatten wie ein Duo im Varieté ihre Freßnäpfe und Trinkschalen säuberlich ausgeleckt und saßen nun vor der Tür zum Garten. Sofort, sagte Schmidt, zu Diensten, aber denkt daran, es ist kalt. Wenn es euch nicht gefällt, kommt gleich zurück. Die Katzenklappe ist offen. Er hielt ihnen die Fliegengittertür auf, während sie schnupperten und die Lage prüften. Laßt euch Zeit, erklärte Schmidt, ich friere gern. Dann waren sie draußen. Schmidt beobachtete sie, Sy hinkte etwas, Pi war weit voraus. Arthritis, hatte der Tierarzt ihm gesagt. Er ist ein Katzensenior. Das stimmte: Er hatte womöglich noch fünf glückliche Jahre zu leben, die Hälfte der Zeit, die Schmidt noch für sich erwartete. Pi würde untröstlich sein. Wenn sich zeigte, daß Alice Katzen mochte – nein, du Idiot, rief Schmidt sich zur Ordnung, die Frage ist, ob sich zeigt, daß sie dich mag –, also gut, wenn Alice ihn mag und Katzen mag, könnte man Pi ein abessinisches oder siamesisches Katzenjunges geben, das er so fürsorglich aufziehen mochte, wie Sy ihn aufgezogen hatte. Alles hing von Alice ab.
    Das Wasser im elektrischen Kessel kochte, die Milchwar heiß, er war bereit, seinen Fall zu verteidigen, in der Hoffnung, sich in der wichtigsten Angelegenheit seines Lebens durchzusetzen. Er hörte ihre Schritte auf der teppichlosen Hintertreppe, die direkt in die Küche führte. Daß sie diese Stufen herabstieg, als sei sie hier zu Hause, daß sie barfuß kam, verzauberte ihn. War er zum Fuß-Fetischisten geworden? Wieder sah er ganz gerührt, daß sie sich die Fußnägel wie immer leuchtend rot lackiert hatte. Sein Blick wanderte weiter, nach oben, registrierte einen seladongrünen Morgenrock, ein weißes, mit winzigen roten und grünen Blumen besticktes Nachthemd, ihr offenes Haar, ihre Lippen, ihren Körper, der sich noch vor kurzem an ihn geschmiegt hatte.
    Bonne anneé , mon Schmidtie.
    Sie legte ihm die Arme um den Hals und küßte ihn auf Augen und Lippen. Ein langer, sanfter Kuß, nicht so wie die Küsse, die über seinen Mund verfügt hatten und etwas tief in ihm ertasten wollten.
    Was für ein köstliches Frühstück!
    Ja, sie aß gern Honig und Marmelade und nahm Milch.
    Als sie ihren Kaffee getrunken hatte, sagte sie: Ich muß eine Erklärung abgeben. Definitiv behalte ich dich. Aber bist du bereit, zu meinen Bedingungen behalten zu werden? Ich werde dich nicht heiraten, jetzt nicht, vielleicht nie, aber vielleicht doch, nach einer Weile. Ich bleibe in Paris,
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