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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht
Autoren: Louis Begley
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Wortschwalls, aber bitte laß mich ausreden. Es ist so lange her, seit wir das letzte Mal zusammen waren, es gibt so viel zu sagen, und hier geht es um die wichtigste Sache meines ganzen Lebens.
    Schmidtie, sagte sie, wenn es sein muß, höre ich weiter zu, aber bestell mir noch ein Glas Champagner.
    Wird gemacht, sagte er.
    Sie schwiegen, solange sie auf ihre Getränke warteten, und Schmidt erlaubte sich, ohne nachzudenken, eine außerordentliche Freiheit. Er nahm ihre Hand, streichelte sie und zog sie dann an seine Lippen.
    Kaum hatte sie einen Schluck getrunken, redete er weiter. Er mußte eilends alles loswerden, er konnte nicht anders.
    Du erinnerst dich, daß ich dir einen Heiratsantrag gemacht habe. Das Angebot steht. Am glücklichsten würdest du mich machen, wenn du es annimmst. Unser gemeinsames Leben hätte eine einfache, klare Struktur. Aber eine Ehe muß nicht sein. Leb mit mir, solange du möchtest und zu deinen Bedingungen. In Sünde! Wo immer du willst. Bridgehampton und New York sind mein Zuhause, dort weiß ich zu leben. Das Haus in Bridgehampton würde dir gefallen, da bin ich mir sicher. Aber ich kann den größten Teil des Jahres hier in Paris leben. Oder irgendwo anders.
    Ich habe das schöne Haus meines Vaters in Antibes geerbt, sagte sie ganz leise.
    Gut, in Antibes bin ich nie gewesen, aber die Côte d’Azur wollte ich immer schon kennenlernen. Nur noch ein paar Worte, schöne Alice, ein paar Worte über dich und mich. Unseren Sex habe ich geliebt. Ich bin noch dazu imstande. Daß ich mich steigern werde, kann ich mir nicht vorstellen, aber wer weiß? Father’s little helpers, die kleinen Wunderpillen, gab es damals noch nicht. Ich habe sie noch nicht ausprobiert, aber sie sollen gut sein, und ich bin bereit, sie zu schlucken. Warum ich es wage, so mit dir zu reden? Erstens, weil ich dich liebe. Zweitens, weil es so aussah, als würdest du mich mögen. Drittens, weil ich sehr einsam bin und weil ich weiß, wenn ich mit dir lebte, würde mein Leben sich ändern, würde es mir Freude machen. Viertens, weil du, falls du nicht jemand anderen hast – undwenn es so ist, sag es mir bitte, und ich höre sofort auf –, vielleicht auch einsam bist. Vielleicht wäre das Leben mit mir auch für dich besser.
    Sie sagte, wieder sehr leise: Ich habe niemanden. Und ich bin einsam. Mein Sohn Tommy ist meine ganze Familie. Er lehrt Mathematik an der Universität Melbourne und lebt mit einer Psychologin zusammen, die fast einen Meter achtzig lang ist und ihm Surfunterricht gibt. Letztes Jahr im August habe ich sie besucht. Es ging nicht gut.
    Das ist bitter, sagte er. Alice, ich weiß, daß wir gut zusammensein könnten, wir würden uns lieben, einander Gesellschaft leisten, würden aufpassen, daß keiner von uns sich allein gelassen, aus dem Leben ausgeschlossen fühlt. Willst du es wagen? Gibst du mir eine zweite Chance?
    Ich habe dir eine erste Chance gegeben, sagte sie, und sieh doch, was passiert ist.
    Aber Alice, die Chance hast du mir gegeben, ohne mir die Spielregeln zu nennen, ohne alle Bedingungen offenzulegen. Ich dachte damals auch, es gebe keinen anderen. Ich habe mich zum Narren gemacht, von Heirat geschwafelt und so weiter. Hätte ich von Serge gewußt, hätte ich mich nicht so benommen. Da bin ich mir sicher.
    Diese Antwort war nicht aufrichtig, das wußte er. Er konnte nicht sicher sein, daß er bereit gewesen wäre, Alice mit einem anderen Mann zu teilen. In Wahrheit meinte er etwas anderes, nämlich, daß ihr erster gemeinsamer Nachmittag wahrscheinlich gleich nach dem Mittagessen zu Ende gewesen wäre, hätte er von Serge gewußt. Auf einen Kampf mit Serge um Alice hätte er sich wohl nicht eingelassen.
    Ich weiß, sagte sie. Es war dumm von mir. Vielleicht gemein. Ich wollte, daß du mich für besser hieltest, als ich war. Ich nahm mir immer wieder vor, es dir zu erklären, und dann konnte ich es nicht. Also war ich im Unrecht. Eswar mein Fehler. Aber Schmidtie, du hast mir gezeigt, wie wütend und gemein du sein kannst. Wie soll ich wissen, daß du diese Eigenschaften unter Kontrolle hast? Daß du mich ansehen, anfassen, lieben kannst, ohne zu denken, sie gehört Serge. Oder etwas anderes Schreckliches in der Art.
    Ich kann es dir nur versichern. Ich verstehe, daß dir das vielleicht nicht reicht. Fest steht, daß ich seit damals allerhand durchgemacht habe. Vielleicht klingt es albern, aber es ist wahr: Ich bin erwachsen geworden. Ich bin jetzt anders. Ich kann Abstand von den Dingen
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