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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben
Autoren: Esther Hazy
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Stoffbeutel. Er war ja wirklich zuvorkommend, heute. Ramona sauste hinterher und ich verschloss den Rucksack, ehe ich ihn mir aufsattelte und alle anderen Sachen in den großen Müllsack stopfte, der im Mülleimer war. Ich knotete ihn oben zusammen und brachte ihn mit raus auf den Flur, wo die Putzfrauen gerade mit ihren Wägelchen unterwegs waren. Ich stopfte meinen Sack dazu, als beide der Angestellten gerade in einem der Räume verschwunden waren, und machte mich dann auf den Weg zur Rezeption, um den Schlüssel abzugeben.
    Draußen war es angenehm warm und die Sonne schien, sodass ich beinahe gut gelaunt zum Bahnhof schlenderte. Dort angekommen kaufte ich mir eine Sonnenbrille, um meine Augen zu verbergen. Bei dem Wetter fiel das glücklicherweise auch kaum auf. Anschließend zog ich ein Ticket und wartete dann am Gleis auf den nächsten Zug nach Bremen.
    Je näher ich Hoya kam, desto angespannter wurde ich. Als ich in Nienburg dann ausstieg und mich in den Bus nach Hoya setzte, wurde mir schon beinahe schlecht vor Aufregung. Ich hatte Angst, erkannt zu werden. Aber noch mehr Angst hatte ich davor, wie Blaze reagieren würde, wenn er mich sah.
    Die Busfahrt verging viel zu schnell und mein Herz trommelte wie wild in meiner Brust, als ich ausstieg und den ersten Fuß auf die asphaltierte Straße setzte.
    Es war recht voll heute und keiner der Leute schien mich großartig näher zu beachten. Erleichtert stiefelte ich los in Richtung Schulgebäude und wartete ungeduldig auf der gegenüberliegenden Straßenseite, um nicht zu nah heranzutreten. Ich setzte mich auf eine Bank und griff nach der Zeitung, die jemand nach seiner Mittagspause offenbar hier liegengelassen hatte, um nicht weiter aufzufallen. E rdbeben erschüttert Nienburg und Umgebung, lautete die Schlagzeile. Das war also die Erklärung für die normale Welt, wie ich gestorben war. Und Alex. Ich scannte den Artikel kurz, um erleichtert festzustellen, dass wir die einzigen Opfer dieser Katastrophe geworden waren. Ich fühlte mich auch wirklich schrecklich, weil ich einer Familie ihr Haus weggenommen hatte. Welches ich übrigens dringend suchen sollte, immerhin lebte es dank mir und war dadurch zwangsläufig auch mit mir verbunden.
    Ich sah erneut zum Schulhof und mein Blick blieb an dem hässlich orangegelben Moped hängen, das mich an das Mädchen erinnerte, das immer zu mir gehalten hatte, egal was war.
    Ich riss den Zeitungsausschnitt über das Erdbeben aus und schrieb mit meiner krakeligen Handschrift oben drüber: Bleib so, wie du bist. Und lass dir von niemandem einreden, dass du weniger wert bist.
    Ich sah kurz die Straße rauf und runter, ehe ich über den Asphalt und auf den Schulhof lief und das Stück Papier an den Lenker von Doras Moped klemmte. Anschließend sah ich zu, dass ich zurück zu meiner Bank kam.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis das Klingeln der Schulglocke ertönte und nach und nach die Schüler aus dem Gebäude strömten. Ich hielt überall Ausschau nach dem großen Blondschopf, konnte ihn aber nirgendwo entdecken.
    Die meisten Schüler waren bereits an mir vorbeigelaufen oder hatten direkt den Bus genommen, als ich Dora bemerkte, die sich gerade auf ihr Moped setzte und den Zettel entdeckte. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und ich konnte nur hoffen, dass das nicht aus Trauer um mich war, sondern dass sie sich bloß dazu entschlossen hatte, jetzt die Rolle des draufgängerischen Gothmädchens in diesem Nest zu übernehmen.
    Sie sah auf und blickte suchend um sich, sodass ich den nächstbesten Jungen anhielt, der an mir vorbeilief, um nicht ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
    «Hey!», rief ich und hielt den Typen an seiner Schulter fest. «Du gehst doch hier zur Schule, oder?»
    Er beäugte mich skeptisch, schien mich aber nicht zu erkennen. Vermutlich, weil er drei Jahrgänge unter mir war oder noch mehr.
    «Ja, wieso?»
    «Kennst du zufällig Lennard Anderson?»
    «Das ist doch der Typ, dessen Freundin abgekratzt ist.» Wie mitfühlend. Jetzt sah er mich noch skeptischer an. «Wie heißt du?»
    «Äh», machte ich. «Skarlet. Ich bin seine Cousine.» Ich lächelte erleichtert, als er mir das offenbar abzukaufen schien.
    «Die Leute aus der 13 sind alle bei der Übergabe ihrer Abizeugnisse, im alten Schloss.»
    «Ach ja, richtig!», rief ich nun. «Ich habe gedacht, das würde hier stattfinden. Danke.» Damit ging ich los, ehe er doch noch auf die Idee kommen konnte, dumme Fragen zu stellen, und machte mich auf den Weg in
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