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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben
Autoren: Esther Hazy
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mein ganzer Körper eingerostet war.
    Anschließend stellte ich mich vor den Spiegel und begutachtete das tote, bleiche Mädchen, das mir da entgegen blickte.
    Es war nicht gerade einfach, meine Haare selbst abzuschneiden, zumindest so, dass sie auch halbwegs passabel aussahen. Aber die Veränderung wirkte immerhin. Ich hatte jetzt kurze Fransen auf dem Kopf, und nachdem ich die Pappe aufgerissen und mir das Blondierungsmittel auf die restlichen Haare geschmiert hatte, erkannte ich mich selbst kaum noch. Es sah nicht schlecht aus, auch wenn mir meine langen Haare fehlten. Aber durch die helle Haarfarbe wirkte ich gleich weniger blass und kränklich.
    Anschließend schruppte ich meine Haut und befreite sie von all dem Dreck und der Erde aus meinem eigenen Grab. Ich rasierte mir die Beine und schnitt mir die absolut gruseligen Nägel, cremte mich mit der duftenden Bodylotion ein, schmierte etwas von der Wundsalbe auf meine aufgesprungenen Lippen und auch auf die leichte Schramme an meiner Stirn und schlüpfte erst anschließend in die saubere, dunkle Jeans und das hellblaue Top.
    «Oh mein Gott!» Mercutio saß auf dem kleinen Hocker neben dem Schrank, den er wohl als einziges Möbelstück alleine hatte erklimmen können, und Ramona hockte auf dem Nachttisch und starrte zu mir rüber, als ich aus dem Bad kam. «Du siehst absolut hinreißend aus!», flötete sie.
    «Du siehst jedenfalls nicht mehr aus wie ein zwölfjähriges, obdachloses Mädchen», kommentierte Mercutio und das war in seinen Worten schon ein wahres Kompliment. Ich grinste verlegen, griff zu dem zweiten Sandwich, das sich ebenfalls noch im Rucksack befunden hatte, und aß dieses Mal langsamer, um meinen Magen ein wenig zu schonen. Seufzend ließ ich mich auf dem Bett nieder und kaute genüsslich. Ich war aufgeregt und ich hatte auch ein bisschen Angst, weil ich keine Ahnung hatte, wie genau Blaze reagieren würde.
    Nachdem ich aufgegessen hatte, kuschelte ich mich unter die Bettdecke und versuchte die Augen zu schließen, um ein wenig Schlaf zu bekommen, bevor ich morgen nach Hoya aufbrechen würde. Um diese Uhrzeit fuhr kein Zug mehr dorthin, also war ich gezwungen zu rasten. Ich war so froh, dass alles geklappt hatte, und fühlte mich so federleicht und unbeschwert, als wäre ich tatsächlich neu geboren worden.
    Ich schlief eigentlich recht tief, wachte aber mehrmals auf, weil der Durst weckte. Ich leerte in der ganzen Nacht fast drei Liter Wasser und rannte viermal auf Toilette, ehe sich mein Körper offenbar wieder regeneriert hatte und ich die letzten Stunden doch noch durchschlief.
    Am nächsten Morgen wurde ich von einem Kitzeln an der Nase geweckt und ich pustete genervt nach oben, unwissentlich, dass ich damit Ramona vertrieb, die es sich auf meiner Wange bequem gemacht hatte.
    «Guten Morgen, Schlafmütze!», trällerte sie jetzt fröhlich. Mercutio saß immer noch auf dem Hocker, er hatte sich offenbar kaum bewegt in der Zeit. Oder er versuchte absichtlich den Eindruck zu machen, weil er vermutlich die ganze Nacht im Hotel umhergeschlichen war, wie er das immer tat, wenn wir uns in unbekannten Räumlichkeiten aufhielten.
    «Du solltest dir die Zähne putzen, bevor wir uns auf den Weg machen», sagte Mercutio mit einem skeptischen Blick. «Ich kann zwar nichts riechen, aber ich bin mir absolut sicher, dass dein Atem widerwärtig stinken muss.»
    Ich schnitt ihm eine Grimasse, verschwand aber dennoch im Bad, um mir die Zähne ausgiebig zu schrubben und anschließend auch die Mundspülung zu benutzen, die Mercutio umsichtig mit eingepackt hatte.
    Anschließend schlüpfte ich in die sauberen Strümpfe und die neuen Schnürstiefel. Ich hatte Mercutio extra darum gebeten, mir Schuhe mit Absatz zu besorgen, damit ich größer aussah und hoffentlich so noch weniger Ähnlichkeit mit dem Mädchen hatte, das ich früher einmal gewesen war. Glücklicherweise hatte meine Mutter immer mal wieder versucht mich dazu zu überreden, Absätze zu tragen, sodass ich keine Probleme hatte, darin wackelfrei zu laufen.
    «Mercutio, ich weiß, dass du das nicht ausstehen kannst, aber ich fürchte, ich werde dich im Rucksack tragen müssen, wenn ich nicht auffallen will. Dich auch, Ramona.» Ich sah beide bittend an, denn nach meinen eigenen Erfahrungen wusste ich, dass es nicht allzu komfortabel war, in einem dunklen, stickigen Raum zu zweit eingesperrt zu sein.
    «Das mache ich alles nur Lennard zuliebe», murrte die Putte und kletterte freiwillig in den
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