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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben
Autoren: Esther Hazy
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Richtung Fluss.
    Das Schloss war kein wirkliches Schloss, es gab keine Zinnen und Türmchen. Aber es war ein hübscher Komplex, der auch schon recht alt war und daher einen gewissen Charme aufwies. Unsicher betrat ich den Eingangsbereich, in dem außer mir keine Menschenseele war. Dafür drangen aus der Doppeltür gedämpfte Stimmen zu mir durch und ab und zu erklang Beifall, nachdem der aufgerufene Abiturient sein Zeugnis abgeholt hatte. Ich sah mich unsicher um und mein Blick blieb an den beiden goldenen Engelsstatuen hängen, die am Fuß der Treppe aufgestellt worden waren. Die kleinen Putten waren wirklich süß und trugen sogar so etwas Ähnliches wie kleine Nachthemdchen. «Heute muss dein Glückstag sein, Mercutio», murmelte ich leise, griff mir die linke der beiden Figuren, die etwas feinere Gesichtszüge hatte und deren gekringelten Haare zumindest kinnlang waren, und sah mich hilfesuchend um, ehe ich versuchsweise an einer der anderen Türklinken rüttelte. Die erste Tür war verschlossen, aber bei der nächsten hatte ich mehr Glück und ich huschte gemeinsam mit der geklauten Figur in den Raum nebenan. Es war nur ein kleiner Saal und bis auf einen altmodischen Tisch und ein paar weiße Stuhlreihen standen hier keine Dinge herum. Ich vermutete fast, dass das hier der Raum für die standesamtlichen Hochzeiten war.
    Irgendwie hievte ich den Rucksack auf den Tisch, stellte die goldene Figur auf dem Fußboden ab und ging in die Hocke, um sie genauer betrachten zu können.
    Sie war wirklich hübsch und irgendwie niedlich, aber Mercutio konnte anstrengend sein und er brauchte definitiv jemanden, der ihm die Meinung geigen konnte. «Mach es ihm ja nicht zu einfach, ja?», flüsterte ich. «Auch wenn du ihn magst, er soll sich bloß nichts einbilden, Ophelia.» Ich grinste und der Engel lächelte zurück, als er seinen Kopf von den Armen erhob. «Wo ist er?! Ich kann es kaum erwarten, ihn kennen zu lernen!» Ihre Stimme war angenehm warm und sie bewegte zaghaft die Flügel. «Du solltest lieber nicht versuchen, damit zu fliegen», fügte ich noch hinzu, weil die filigranen Flügel viel zu klein waren für ihren doch eher schweren Körper. «Die sind reine Dekoration. Aber keine Sorge. Das wird ihm gefallen. Versteck dich hinter dem Vorhang, ja? Es soll ja eine Überraschung sein.»
    Damit erhob ich mich und griff nach dem Rucksack, um ihn aufzuschnüren. Mercutio stampfte unwirsch auf den Tisch. «Eine Unverschämtheit, dass ich in einem stickigen Rucksack sitzen und mir den Platz auch noch teilen muss!»
    Ich grinste breit. «Du könntest dich wirklich mal um ein bisschen mehr Höflichkeit bemühen, mein Lieber.» Ich hob ihn hoch, was ihn zu noch mehr Protesten bewegte, und setzte ihn auf dem Teppichboden wieder ab.
    «Ich möchte dir jemanden vorstellen», sagte ich dann, ehe er weiter rumfluchen konnte. Mercutio sah mich eher skeptisch als erwartungsvoll an, aber als ich nach Ophelia rief und sie zaghaft hinter dem Vorhang hervorlugte, war er zur Abwechslung mal sprachlos. Dass ich das nochmal erleben durfte.
    Ophelia war neugierig und kam direkt auf ihn zugehopst. Ich ließ die beiden vorerst alleine und wandte mich Ramona zu, die hektisch mit den Flügeln schlug, um aufrecht in der Luft zu bleiben.
    «Kannst du Lennard suchen gehen und hierher bringen, bitte?», fragte ich sie, während ich vom anderen Ende des Zimmers leises Gekicher vernahm.
    «Aber es wird doch gerade erst richtig spannend!», maulte Ramona, die gebannt den beiden Putten zuhörte. Ich lächelte flüchtig und öffnete die Tür einen Spalt breit für sie. «Bitte?»
    «Ja, schon gut. Das wird sicher auch interessant.» Damit stob sie davon und ich ließ die Tür hinter ihr wieder zufallen.
    Obwohl ich mich für Mercutio und Ophelia freute und ähnlich neugierig war wie Ramona, konnte ich mich in diesem Moment nicht wirklich auf sie konzentrieren. Ungeduldig sah ich zur Tür. Mein Magen fühlte sich flau an und nervös umfasste ich meine Arme, damit ich nicht vor Aufregung auf und ablief oder wie wild mit meinen Fingern herumfummelte.
    «Was zum Teufel soll das werden?!», ertönte seine Stimme vom Flur her, noch ehe die Tür aufging. Mein Herz setzte einen Moment aus und ich trat von einem Bein aufs andere, als die Türklinke sich bewegte.
    Blaze sah genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte, auch wenn er einen schicken schwarzen Anzug trug und er ziemlich kaputt wirkte. Als ich in sein schönes Gesicht und seine umwerfenden Augen
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