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Falsche Väter - Kriminalroman

Falsche Väter - Kriminalroman

Titel: Falsche Väter - Kriminalroman
Autoren: Hermann-Josef Schüren
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Prolog
    Theo Grossmann trug die
Reisetasche zum Auto und schob sie neben die Kartons mit dem Hochprozentigen.
Er schlug den Kofferraumdeckel zu, stieg in den Wagen, steckte den
Zündschlüssel ins Schloss und sah in den Rückspiegel. Seine Frau stand in der
Haustür. Sie hatte eine strahlend weiße Schürze an und winkte. Es sollte ein
Zeichen des Einverständnisses sein, aber ihr Gesicht sprach eine andere
Sprache. Grossmann hob kurz die Hand, startete und fuhr los. Er sah noch, wie
Monika die Haustür schloss. Wahrscheinlich setzte sie sich an den Küchentisch
und weinte. Viel Zeit blieb ihr nicht. In einer knappen Stunde kamen die Jungs
vom Fußballtraining zurück.
    Grossmann trat auf die Bremse
und sah auf das rote Licht der Ampel. Gleichzeitig starrte er ins Nichts. Das
passierte ihm immer häufiger, seitdem er wusste, dass er nicht mehr lange leben
würde. Nur noch zwei, drei Monate hatten ihm die Ärzte gegeben, obwohl er kaum
Schmerzen spürte. Als er in den Rückspiegel schaute, meinte er immer noch
Monika zu sehen, wie sie vor der Haustür stand, die weiße Schürze eng um den
Leib geschlungen. Erst als er Goch hinter sich gelassen hatte und Richtung
Kevelaer unter der Autobahn durchtauchte, verschwand ihre Gestalt. Er atmete
auf, fischte das Telefon aus der Konsole und stellte die Verbindung her.
    »Hallo?« Annas Mädchenstimme
strömte ins Wageninnere wie ein tröstendes Parfum.
    »Ich bin’s«, sagte Grossmann.
»Alles in Ordnung?«
    »Na klar.«
    Die Stimme zauberte ein Lächeln
auf sein Gesicht. »In zwanzig Minuten bin ich da.«
    »Fahren wir wieder zur Hütte?«
    »Natürlich!«
    »Und was machen wir da?«
    »Lass dich überraschen!«
    Anna stand wie verabredet an der
Ecke Issumer Straße. Grossmann konnte sich erinnern, dass sie als Kind ein
wenig pummelig gewesen war, aber das hatte sich inzwischen rausgewachsen. Er
hupte kurz und stoppte auf dem Parkstreifen. Anna brauchte einen Augenblick,
bis sie ihn erkannte. Er hatte den Wagen seiner Frau genommen, weil er sich
inzwischen lächerlich vorkam, wenn er seinen Namen durch die Gegend kutschierte.
Mit kleinen Schritten kam Anna zum Auto gelaufen und riss die Beifahrertür auf.
    »Da bist du ja endlich«, sagte
sie, warf sich auf den Sitz, beugte sich zu ihm herüber und schmatzte ihm einen
Begrüßungskuss auf die Wange. »Neues Auto?«
    »Von meiner Frau!«
    »Hat die auch dein Rasierwasser
ausgesucht?«
    »War ich selbst. Öfter mal was
Neues.«
    »Was denn sonst noch?«
    »Das sag ich dir lieber nicht.«
    »Oh. Ein großes Geheimnis!«
    Sie lachte, und Grossmann sah
kurz zu ihr hinüber. Er hatte sie immer gemocht, aber jetzt störte ihn ihre
jugendliche Unbeschwertheit. Ihr Lachen klang in seinen Ohren wie Hohn, und es
dauerte einen Augenblick, bis er begriff, warum. Alles war anders seit der
Diagnose. Und dann waren auch noch die Bescheide gekommen.
    »Was macht die neue Schule?«,
fragte er beiläufig. »Hast du dich schon eingewöhnt?«
    »Alles prima. Bin nach den
Sommerferien super gelandet. Ist irgendwie geil, noch mal von vorn anzufangen.
Ich hab sogar schon eine neue Freundin gefunden.«
    »Und die Jungs?«
    »Ach, die sind doch überall
gleich. Langweilige Großmäuler! Sag mal, warum fahren wir eigentlich heute
schon zur Hütte? Donnerstags waren wir noch nie da.«
    »Das Wetter soll schlechter
werden«, sagte Grossmann. Als er den Wagen erneut in Bewegung setzte, war das
leise Klappern der Flaschen im Kofferraum zu hören.
    Wie gewohnt machte er einen
kurzen Abstecher nach Issum, hielt vor der Kirche, gab Anna zehn Euro und
schickte sie zum Eisholen. Sie trug eine verwaschene Jeans mit einem breiten
weißen Gürtel; zwischen T-Shirt und Gürtel war der Ausschnitt eines Tattoos zu
erkennen, das Grossmann zu gern ganz gesehen hätte.
    Er grinste, als sie zurückkam,
die Hörnchen mit den kleinen Eisbergen balancierend. Das T-Shirt gewährte
vielversprechende Einblicke, und die Aufschrift »Just do it!« spannte sich über
ihre Brüste.
    Warum eigentlich nicht?, dachte
Grossmann. Ist doch sowieso alles egal. Bald bin ich tot. Dann kann mir keiner
mehr was. Warum sollte ich auf irgendetwas verzichten? Außerdem bin ich nicht
ihr Vater. Die Beweise habe ich in der Jackentasche.
    Er startete den Motor und fuhr
mit einer Hand weiter. Anna kicherte, als ihm das Schokoladeneis auf das frisch
gebügelte Hemd tropfte.
    Die Hütte in der Bönninghardt
war nur Eingeweihten bekannt. Auch wenn die Gegend ihre ursprüngliche Wildheit
und
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