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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben
Autoren: Esther Hazy
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Haustür auf und ich folgte ihm humpelnd, während der Maskaron uns weiter nachrief.
    Der Flur war nur sehr klein, aber das war bei Reihenhäusern ja meistens der Fall. Auf der linken Seite führte eine Tür ab zu einem kleinen, renovierungsbedürftigen Gäste-WC, geradeaus war keine Tür, sondern ein direkter Durchbruch in der Wand. Das dahinterliegende Wohnzimmer war einigermaßen hübsch und auch die angrenzende Küchenzeile sah in Ordnung aus. Alles war bereits eingerichtet und an seinem Platz. Ein großes Ecksofa bot genügend Platz für mehrere Personen, es gab einen alten, stuckverzierten Kamin an der gegenüberliegenden Wand, neben dem ein Esstisch mit vier Stühlen stand. Neben dem Sofa hatte mein Vater offenbar seine Arbeitsecke eingerichtet, jedenfalls stand da ein antik aussehender Schreibtisch, auf dem haufenweise Papier rumflog. Und die Wände waren so gut wie alle vollgestellt mit Bücherregalen. Ich hatte ganz vergessen, wie viele Bücher mein Vater besaß. Bei meiner Mutter hatte es bis auf Kochbücher und ein paar Ratgeber kaum Literatur im Haus gegeben.
    «Schaffst du es die Treppe rauf? Oder brauchst du Hilfe?» Mein Vater kratzte sich skeptisch am Hinterkopf. Er schien leicht überfordert zu sein.
    «Ich komm schon klar.» Irgendwie rang ich mir ein Lächeln ab und machte mich dann auf den Weg nach oben. Natürlich brauchte ich eine ganze Weile länger als sonst, weil ich nur den rechten Fuß belasten konnte und den linken wie ein Anhängsel nachziehen musste. Aber es war nicht ganz unmöglich.
    Geduldig folgte mir Rüdiger, bis wir im Obergeschoss ankamen. Hier gab es drei weitere Türen, von denen eine in ein etwas größeres, saniertes Badezimmer mit Badewanne und Dusche führte.
    «Die beiden Zimmer sind beide relativ gleich groß. Ich musste bei deinen Möbeln ein paar Abstriche machen, weil wir nicht so viel Platz haben. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.» Rüdiger öffnete die Tür zu meinem Zimmer. ‚Ein paar Abstriche‘ war die Untertreibung des Jahres. Außer meinem Bett und meinem Kleiderschrank war nichts meiner Möbel mitgekommen. Jetzt war ich froh, dass ich mich doch für das 130er Bett entschieden hatte und nicht das 150er, das ich zuerst haben wollte, sonst wäre es vermutlich auch nicht mitgekommen. In der Ecke neben dem Bett stand ein kleiner Schreibtisch, den mein Vater offenbar irgendwo ausgegraben hatte.
    Der dunkelgraue Sessel, der bei meiner Mutter im Arbeitszimmer gestanden hatte, hatte ebenfalls einen Platz in meinem neuen Heim gefunden. Das Zimmer war eng, zugegeben. Aber es wirkte eigentlich ganz gemütlich, auch wenn es irgendwie komisch war, meine gewohnten Sachen an diesem fremden Ort zu sehen.
    «Das ist super, Paps. Danke.» Ich rang mir ein Lächeln ab und humpelte zum Sessel, um mich darauf niederzulassen. Der geblümte Stoff erinnerte mich an zu Hause und wehmütig strich ich mit den Fingern über das kleine Loch, das ich vor zwei Jahren aus Versehen dort reingerissen hatte.
    «Etwas Größeres gab es leider nicht», sagte mein Vater entschuldigend. «Wir mussten ja relativ kurzfristig was finden.»
    «Ich weiß, Pa. Das ist schon okay.» Ich nickte und sah zu ihm auf. Er sah müde aus. Vermutlich hatte er enorm Stress gehabt, die letzten Wochen. Immerhin hatte er eine Menge organisieren müssen, während ich im Krankenhaus gelegen hatte.
    «Gut, ich lass dich dann mal alleine. In einer Stunde gibt es Abendessen, ich ruf dich dann.» Er lächelte aufmunternd und zog die Tür hinter sich zu, ehe er runter ging.
    Seufzend warf ich den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. Ich wollte nicht wieder hier sein. Definitiv nicht.
     
    Mein Vater hielt sein Versprechen und rief eine gute Stunde später nach mir. Obwohl ich nicht wirklich hungrig war, zwang ich mich dazu, eine Scheibe Brot runterzuwürgen und ein Glas Saft zu trinken.
    Anschließend verzog ich mich wieder in mein Zimmer und kuschelte mich in meinem Bett zusammen. Es roch nach zu Hause und ich musste mich zusammenreißen, um nicht schon wieder zu weinen. Damit hatte ich abgeschlossen. Keine Tränen mehr. Sie halfen nichts und sie machten mich nur noch schwächer und verletzlicher. Und das wollte ich nicht mehr sein.
    Seufzend lehnte ich mich an die Wand und sehnte mich nach meinem Fernseher. Ich befürchtete fast, mein Vater hatte ihn absichtlich zurückgelassen. Er selbst hielt nicht viel vom Fernsehen und hatte kein solches Gerät im Haus.
    Stattdessen machte ich also Musik an und ließ
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