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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben
Autoren: Esther Hazy
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irritiert an und öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, besann sich dann aber doch eines Besseren und folgte Nils zurück in den Kinosaal.
    Ich nutzte die Gelegenheit, um mich zurück in den Raum zu Dora zu schleichen.
     

Kapitel 2
    Ich kicherte albern und zog ihm die dunkelbraune Perücke vom Kopf, die wir in einer alten Truhe im Keller gefunden hatten. Damit sah er aus wie Doras Mama, bloß viel kleiner.
    «Du kannst dich gar nicht so gut verkleiden, dass ich dich nicht erkenn», grinste ich frech durch meine Zahnlücke und er streckte mir die Zunge raus. «Wetten?!» Er griff zu einem Haufen alter Kleider und verschwand darunter.
    Ich lachte los und schmiss die wunderschönen Tücher in die Höhe. «Ich würde dich immer und überall erkennen, selbst wenn ich nichts sehen kann!»
    «Das werden wir ja sehen!», rief er und rannte lachend voran die Treppe hinauf.

    Obwohl ich erst seit zwei Wochen wieder hier war, hatte ich schon einen neuen Ruf weg an der Schule. Vielleicht lag es daran, dass ich in letzter Zeit nur noch schwarz trug. Das hatte aber nichts mit meiner Glaubensrichtung zu tun, sondern eher damit, dass ich mich darin momentan einfach am wohlsten fühlte.
    Dazu kam wohl die Tatsache, dass mich hier sowieso schon jeder für verrückt hielt und man mir alles zutraute. Jedenfalls galt ich jetzt offiziell als Satanistin, weil irgendjemand Samstagnacht auf dem Friedhof gewesen war und dort ein Grablicht zertreten hatte.
    Aber wenn sie einen Grufti haben wollten, sollten sie auch einen bekommen. Vielleicht ließen mich die Leute dann wenigstens in Ruhe.
    Ich zog also auch an diesem Morgen wieder meine Kluft aus schwarzen Jeans und Kapuzenpullover an und legte ein bisschen mehr Kajal auf als sonst. Ich stellte überrascht fest, dass ich wie geschaffen dazu war, als Grufti herumzulaufen. Ich hatte nie besonders viel Farbe im Gesicht gehabt und die letzten Wochen hatten mich noch blasser werden lassen. Meine schwarzen Haare umrahmten mein bleiches Gesicht und schimmerten im Neonlicht des Badezimmers leicht bläulich, während sich die Ringe unter meinen Augen deutlich hervorhoben. Ich wirkte ohnehin schon wie ein Zombie.
    Vielleicht sollte ich mir ein Nietenhalsband kaufen. Aber dafür müsste ich vermutlich zum Einkaufen nach Hannover oder Bremen fahren. Hier gab es so etwas mit Sicherheit nicht.
    Seufzend zog ich mir den Schuh über den rechten Fuß und humpelte die Treppe hinunter, um mit meinem Vater zu frühstücken.
    Wir hatten relativ schnell eine gewisse Routine in unser Leben bekommen und starteten den Tag meistens schweigend über einer Schüssel Müsli. Da Rüdiger ein ziemlicher Morgenmuffel war, redete er um diese Uhrzeit eher ungern und verkroch sich meistens schnell hinter seiner Zeitung. Nur ab und zu lugte er darüber hervor und sah mich an, als ob sein Gewissen ihm einredete, dass er gefälligst mit mir reden müsse. Um seine Schuldgefühle ein wenig zu besänftigen, hatte ich es mir angewöhnt, den Regionalteil der Zeitung aufzuschlagen, den er selbst meistens gleich beiseitelegte.
    Auch heute Morgen lag der Ausschnitt bereits auf dem Platz neben meiner Müslischüssel und ich grüßte Rüdiger nur kurz, ehe ich die Zeitung aufschlug und mir Milch über die Cornflakes kippte.
    Als ich mit dem Frühstück fertig war, machte ich mich auf den Weg zur Schule.
    Ich war bereits auf dem Schulhof angekommen, als ich wie vom Blitz getroffen anhielt und vom Rad stieg. Da, direkt vor mir, stand der Junge aus dem Kino halb abgewandt und unterhielt sich lachend mit zwei Schülern, die etwa in seinem Alter sein mussten.
    «Lou!» Dora kam auf mich zu gerannt und strahlte mich gut gelaunt an. Ich hatte ihr diesen wirklich dämlichen Spitznamen leider nicht ausreden können.
    «Da bist du ja.» Sie nahm mir das Rad aus den Händen, weil ich ja immer noch einen Gips trug und deswegen offenbar auch nicht in der Lage schien, mein Fahrrad selbst anzuketten. Eine Woche noch, dann kam der Gips endlich ab.
    «Wer… ist das?», fragte ich möglichst beiläufig, während ich Dora zu den Fahrradständern folgte, den Blick auf den Blondschopf geheftet.
    «Wer?», fragte Dora irritiert und sah sich um. Ich nickte in seine Richtung. «Na, der blonde Junge da hinten!»
    Dora sah nur kurz zu ihm und dann wieder zu mir. «Das ist Lennard», sagte sie verständnislos. «Den kennst du doch!»
    «Lennard», wiederholte ich und spürte, wie mein Frühstück wieder hochkommen wollte. «Lenny Lennard?!», hakte ich nach,
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