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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben
Autoren: Esther Hazy
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nur um ganz sicher zu sein. Dora nickte bestätigend. Lenny Lennard. Das konnte unmöglich sein. Aber das erklärte natürlich auch die Narbe über seiner Augenbraue und die gebrochene Nase.
    Das letzte Mal, als ich Lennard gesehen hatte, da hatte er noch ausgesehen wie ein bekloppter Cockerspaniel mit Brille und so `ner freakigen Mütze, die er immer getragen hatte, um seine hässlichen, rotblonden Löckchen darunter zu verstecken.
    Das konnte unmöglich Lennard sein. Was machte der überhaupt noch hier an der Schule?! Ich war felsenfest davon ausgegangen, dass er nicht mehr in diesem Kaff festsaß, sondern zum Studieren irgendwo weggezogen wäre. Ich war davon ausgegangen, dass ich ihn nie wiedersehen musste. Aber dieses Glück schien mir nicht vergönnt zu sein.
    «Oh mein Gott», murmelte ich und spürte, wie mein Würgereiz immer stärker wurde. Dass Lennard immer noch hier war, war schlimmer als alles andere.
    «Ich muss kotzen», raunte ich Dora zu und verschwand hinter dem nächstgelegenen Busch. Nachdem die Cornflakes wieder draußen waren, fühlte ich mich nicht wirklich besser. Als ich wieder auf den Schulhof trat, war Lenny Lennard mit seinen beiden Kumpanen bereits im Schulgebäude verschwunden und ich atmete erleichtert auf. Wie benommen stakste ich hinter Dora her zur Eingangstür, jeden Moment darauf gefasst, dass er irgendwo wieder auftauchen würde. Mir war schwindelig und ich biss mir auf die Zunge, um nicht auch noch ohnmächtig zu werden. Es sollte mir egal sein. Er sollte mir egal sein. Aber irgendwie hatte mein Körper diese Information noch nicht ganz verarbeitet. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend folgte ich Dora die Treppe rauf zu den Klassenräumen. Mein Puls beschleunigte vor jeder Ecke, vor der wir ankamen und beruhigte sich erst wieder, als ich ihn nirgendwo entdecken konnte.
    Erst, als wir im Klassenraum ankamen, fühlte ich mich in Sicherheit und ließ mich erleichtert in den Stuhl fallen.
    Obwohl ich in der Pause am Liebsten drinnen geblieben wäre, wurde ich wie alle anderen dazu gezwungen, auf den Pausenhof raus zu gehen und die frische Luft zu genießen. Bei schönem Wetter war die Aula gesperrt, nur der Zugang zur Cafeteria war offen.
    Jetzt, da ich ihn einmal im Umfeld der Schule entdeckt hatte, sah ich Lenny Lennard ständig. Er stand lässig in der Raucherecke mit seinen bescheuerten Kumpanen und rauchte und fühlte sich offenbar besonders groß.
    «Neo, was geht?!», brüllte irgendjemand und klopfte ihm auf die Schulter.
    «Wieso nennen diese Spinner ihn eigentlich Neo?», fragte ich Dora und kaute lustlos auf meinem Butterbrot herum. Mir war immer noch schlecht und ich fühlte mich, als würde eine Starkstromleitung durch meinen Körper geleitet werden. Völlig angespannt saß ich auf der Außenseiterbank neben ihr und starrte zu ihm hinüber. Mein Fuß hibbelte unkontrolliert. Seine Gegenwart war geradezu allgegenwärtig, und selbst wenn ich mich dazu zwang, woanders hinzusehen, spürte ich seine Anwesenheit nur allzu deutlich in meinem Rücken.
    «Das ist sein Spitzname», erklärte Dora schulterzuckend. «Wegen seines Nachnamens. Du weißt schon.»
    Ich sah sie verständnislos an, während Lennard sich in meinen Augenwinkeln lachend zur Seite neigte.
    «Matrix?!», half sie mir auf die Sprünge. Richtig. Lennard Anderson. Mr. Anderson. Neo. Ergab irgendwie einen Sinn.
    Seufzend ließ ich mein Brot zurück in die Tupperdose fallen und klopfte mir die wenigen Krümel von meiner Hose, ehe ich mich dazu zwang, die Finger still zu halten. In ruhigen Bewegungen knetete ich meine Handflächen.
    «Isst du das noch?», fragte Dora und starrte gierig auf mein angelutschtes Sandwich. Sie schien ja wirklich hungrig zu sein. Wortlos schob ich die Dose zu ihr rüber und beobachtete, wie Lennard mit seinen Kumpanen Richtung Cafeteria abzog. Erst, als er ganz außer Sichtweite war, ließ meine Anspannung ein wenig nach und ich sackte innerlich zusammen.
    In der letzten Stunde hatten wir Chemie beim Aschermann und ich saß die ganze Zeit wie auf heißen Kohlen dort und starrte auf die Uhr hinter ihm, während ich dem Ende des Schultages entgegenfieberte.
    Als es endlich klingelte, war ich die Erste bei der Tür.
    «Louise, kann ich dich kurz sprechen?», rief der Aschermann und ich stöhnte innerlich auf. Seufzend schlurfte ich zurück zu seinem Pult und blieb davor stehen, während alle anderen an mir vorbei aus dem Raum gingen und der Letzte die Tür hinter sich schloss.
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