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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben
Autoren: Esther Hazy
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wortlos an ihm vorbei.
    «Du siehst abgemagert aus», rief er und folgte mir.
    «Ich lag fünf Wochen im Krankenhaus, Arschloch», fauchte ich. Lennard hatte mich kurz darauf wieder eingeholt. Er war wesentlich schneller als ich mit meinem Gipsfuß.
    «Das ist aber schon eine Weile her. Geht's dir gut?», fragte er und beäugte mich schräg.
    «Ganz phantastisch.»
    «Okay, blöde Frage.» Er verdrehte die Augen. «Tut mir leid, das mit deiner Mutter…»
    Ich blieb stehen und funkelte ihn hasserfüllt an. «Hast du nicht gesagt, du hältst die Fresse, wenn ich mitfahre?!»
    Er hob entschuldigend die Arme. «Bin schon still.»
    Wir hatten jetzt den protzigen BMW seines Vaters erreicht und Lennard öffnete den Kofferraum und zwängte irgendwie mein Rad hinein.
    «Hättest du nicht letztes Jahr Abitur machen müssen?», fragte ich mit gekreuzten Armen vor der Brust, als er den Kofferraum zuschlug. Er grinste breit. «Hab in der Elften eine Ehrenrunde gedreht.»
    «Wow, wie beeindruckend», gab ich sarkastisch von mir und humpelte zur Beifahrertür. Lennard war schneller und öffnete sie für mich. Wortlos stieg ich in den Wagen, ehe er die Tür wieder zumachte und auf der Fahrerseite einstieg. Er beäugte mich abschätzig. «Was ist mit dir? Wie kommt's, dass du immer noch zwei Jahrgänge unter mir bist?»
    «Ich hab ein Jahr pausiert», erklärte ich ihm, zog mir meine Kapuze wieder über und setzte die Sonnenbrille auf.
    «Was hast du in der Zeit gemacht? Warst du im Ausland?»
    «So was in der Art», antwortete ich ausweichend und schnallte mich an.
    Das erste Mal in meinem Leben freute ich mich über die Tatsache, dass dieses Nest so klein war. Wir brauchten keine fünf Minuten bis zu meiner Straße und erleichtert schnallte ich mich ab, als wir vor unserem Haus zum Stehen kamen. Lennard öffnete die Tür und bot mir helfend die Hand an, die ich beiseite schlug und mich selbst irgendwie aus dem Wagen hievte.
    Er holte mein Rad aus dem Kofferraum und schob es in unseren Vorgarten, ehe er wieder zu mir kam und mich erwartungsvoll ansah.
    «Was?! Ich werde mich bestimmt nicht dafür bedanken, dass du mich genötigt hast, mit dir zu fahren!»
    Diesmal lachte er nicht. Er verzog bloß das Gesicht und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. «Du hättest echt nicht wieder herkommen sollen, Ska.» Damit drehte er sich um und ging ums Auto herum.
    «Als ob ich mir das ausgesucht hätte», murmelte ich eher zu mir selbst und humpelte zur Tür herüber, während der Wagen hinter mir aufheulte und losfuhr. Ich drehte mich nicht nochmal um, sondern ging direkt ins Haus.
    «Hey! War das Lennard da draußen?» Mein Vater kam in den Flur. Offenbar hatte er uns durchs Küchenfenster beobachtet.
    «Ja, er… er hat mich hergebracht», seufzte ich, zog die Kapuze vom Kopf und die Sonnenbrille vom Gesicht und schmiss meine Tasche in dieselbe Ecke wie immer. «Meine Reifen sind hinüber.»
    «Deine Reifen? Vom Fahrrad? Na, das ist aber nett von ihm, dass er dich da fährt!» Rüdiger lächelte gut gelaunt. «Aber Lennard und du, ihr habt euch ja schon immer bestens verstanden!»
    «Können wir einfach essen, Pa?!», fauchte ich eine Spur zu aggressiv. Mein Vater sah mich schon wieder mit diesem furchtbar besorgten Blick an, nickte nur und schob mich voran ins Wohnzimmer. Es tat mir leid, dass ich ihn so angepampt hatte, aber dieser Tag war auch so schon schlimm genug gewesen. Und das Letzte, was ich wollte, war, über Lenny Lennard zu reden.
    Nach dem Essen verzog ich mich direkt in mein Zimmer. Ich verriegelte die Tür von innen und drehte die Stereoanlage auf, damit meine Schluchzer im Flur nicht zu hören waren.
    Alles, wirklich alles lief im Moment so furchtbar schief. Ich wollte nicht hier sein, ich hatte nie wieder herkommen wollen und einfach alles vergessen wollen, was ich hier erlebt hatte.
    Und wieso hatte er mich unbedingt ansprechen müssen?! Hätte er nicht einfach so tun können, als ob er mich nicht gesehen hätte, und mich das dämliche Rad nach Hause schieben lassen? Das wäre mir tausendmal lieber gewesen, als mit ihm sprechen zu müssen.
    Ich konnte ihm unmöglich wieder unter die Augen treten. Mir wurde speiübel, als ich an die Schule morgen dachte. Er würde da sein. Bis zu seinem Abitur. Noch einige Monate. Das würde ich nicht durchstehen.
    Ich warf mich ins Bett und versuchte an irgendetwas anderes zu denken, aber alles, was ich sah, wenn ich die Augen schloss, war sein Gesicht.
    «Du bist so aufgewühlt»,
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