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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben
Autoren: Esther Hazy
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wesentlich leichter, solche Sachen zu ignorieren. Wenn man alleine war, und eines dieser Trugbilder beharrlich auf einen einredete, war das wirklich schwer.
    «Hey, Louise! Ich rede mit dir!»
    «Äh», machte ich und blinzelte irritiert auf das kleine Figürlein hinunter. Es war nicht real, verdammt. Ich packte den Schlüsselanhänger, riss das Fenster auf und schmiss ihn in den Vorgarten, ehe ich doch noch mit ihm sprach. Sobald ich das Fenster wieder verriegelt hatte, fühlte ich mich besser.
    Seufzend setzte ich mich wieder an den Schreibtisch und zwang meine Konzentration auf die Hausaufgaben. Solange ich an Mathematik dachte, würde sich mein Hirn vielleicht keine neuen Gespinste ausdenken.
    Dora holte mich um kurz nach Sieben ab. Da sie auf einem der Bauernhöfe außerhalb des Ortes wohnte, war der Weg für sie in die Stadt mit Rad ein wenig zu weit. Sie fuhr stattdessen eine ziemlich popelige, orangegelbe Vespa, weil sie mit ihren 16 Jahren noch kein Auto fahren durfte. Ich wäre mit meinem Rad vermutlich ähnlich schnell gefahren, aber ich wollte nicht meckern, also stieg ich hinter ihr auf den Sitz und stellte meinen Gipsfuß daneben ab.
    Ich hatte mich immer gefragt, wie es in einem Nest wie diesem überhaupt ein Kino geben konnte. Auch wenn es nicht besonders groß war. Es hatte immerhin zwei Kinosäle und es liefen meistens auch relativ aktuelle Filme. Leider bedeutete das in unserem Falle, dass wir die Wahl hatten zwischen einem animierten Kinderfilm und einem überladenen Actionstreifen. Ich war zwar für den Film mit Bruce Willis, aber Dora war kein Fan von Gewalt und schnellen Kamerabewegungen, also kauften wir schließlich Karten für den Kinderfilm. Ich hatte keine allzu großen Erwartungen daran und trotzdem wurden diese noch enttäuscht. Der Film war sogar so schlecht, dass ich währenddessen aufstand und in den Flur flüchtete.
    In der Damentoilette spritzte ich mir ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht und rieb mir die verspannten Schultern, ehe ich wieder das Foyer betrat. Erschrocken blieb ich stehen und starrte zu einem Jungen rüber, der einige Meter von mir entfernt stand und mit dem Kartenverkäufer schwatzte.
    Ich hatte keine Ahnung, wer das war, ich war mir nur ziemlich sicher, dass er neu hergezogen sein musste. Denn so ein Gesicht hätte ich mit Sicherheit nicht vergessen. Er war groß und muskulös und seine platinblonden Haare hingen ihm wirr ins hübsche Gesicht. Ich starrte ihn völlig irritiert an, während er sich umdrehte und in den Kinosaal ging, in dem gleich der Actionfilm anlief. Ich war sogar kurz am überlegen, ob ich ihm einfach folgen sollte, als mich der Junge aufhielt, der hier arbeitete. «Hey!», rief er. «Kann ich mal deine Karte sehen?»
    «Äh, klar», seufzte ich und grub in meiner Jackentasche herum, bis ich ein etwas zerknittertes Stück Papier fand und es ihm reichte. Er starrte mich an wie ein Irrer. «Das… ist eine Einkaufsliste.»
    «Eine…» Ich zog ihm den Zettel aus der Hand und warf einen Blick darauf. Tatsächlich. Die Sachen, die mir meine Mutter aufgetragen hatte, aus dem Supermarkt mitzubringen.
    «Ach, scheiße. Ich glaub, die Karten hat Dora.» Ich verzog das Gesicht und der braunhaarige Junge grinste. «Hey, du bist doch Louise, oder?»
    «Äh… Ja.» Ich nickte irritiert, während er weiterhin dämlich grinste. «Du warst mal mit mir zusammen beim Tennis, kann das sein?!»
    «Äh. Kann sein.» Ich hatte jedenfalls mal Tennis gespielt.
    «Ist ja irre, dass du wieder hier bist! Und? Was hast du so die letzten Jahre gemacht?»
    «Ach, alles Mögliche», murmelte ich verlegen und strich mir die Haare aus der Stirn.
    «Hey, Nils!», rief jemand hinter uns und ich stolperte zur Seite, als der gutaussehende Typ wieder vor uns auftauchte und den Jungen in Uniform anlächelte. «Schmeißt du den Film heute nochmal an?»
    «Äh, ja, klar! Tut mir leid, ich war abgelenkt!» Damit joggte Nils davon, um in dem zweiten Kinosaal den Film einzulegen. Hier musste sogar noch alles manuell gestartet werden, ehe irgendwas lief.
    Der andere stand jetzt so nah vor mir, dass ich ihn genauer betrachten konnte. Er hatte ein markantes Kinn, hohe Wangenknochen und eine kleine Narbe über der linken Augenbraue; seine Nase hatte einen leichten Knacks, als wäre sie nach einer Prügelei gebrochen worden. Das machte ihn sogar noch attraktiver. Und seine Augen waren von so einem intensiven Grün wie die Blätter der Bäume im Frühling.
    Er sah mich einen Moment lang
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