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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben
Autoren: Esther Hazy
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irgendeine Hardcoreband durch mein Zimmer schreien, während ich lustlos meinen Kleiderschrank öffnete und mir eine schwarze Jeans und ein schwarzes Kapuzenshirt für morgen rauslegte. Ich hatte den Arzt dazu überreden können, wirklich nur meinen Fuß einzugipsen und nicht mein halbes Bein, sodass ich immerhin normale Jeans darüber anziehen konnte und nicht auf die Jogginghose zurückgreifen musste, die ich im Krankenhaus getragen hatte.
    Obwohl es noch keine neun Uhr durch war, machte ich mich bettfertig und ging schlafen. Da ich immer noch erschöpft und kraftlos von den letzten Wochen war, fiel es mir nicht allzu schwer einzuschlafen. Aber ich schlief unruhig und wachte mehrmals nachts auf, wo ich mich dann in einer ungewohnten Umgebung wiederfand.
    Irgendwann um kurz nach sechs gab ich es schließlich auf, humpelte ins Bad und wickelte einen Plastikmüllsack um meinen Gips, ehe ich unter die Dusche stieg.
    Mein Vater stand um kurz nach Sieben bereits in der Küche, weil er es offenbar als seine Pflicht ansah, mir Frühstück zu machen.
    «Soll ich dir ein Spiegelei machen? Oder Brötchen holen? Was frühstückst du denn sonst immer so?»
    «Müsli oder Brot oder so reicht mir völlig», lächelte ich matt. Rüdiger schien erleichtert zu sein und holte fünf verschiedene Sorten Müsli aus den Schränken. Ich löffelte eine Schüssel Früchtemüsli aus, ehe ich mir eine Flasche Wasser und einen Apfel in den Rucksack stopfte.
    «Mein Rad steht draußen, oder?», fragte ich meinen Vater, der noch am Tisch saß und in die Zeitung blickte. Als ich ihn ansprach, sah er auf. «Ich kann dich eben hinfahren!», schlug er vor.
    «Ich krieg das schon irgendwie hin, denke ich. Aber danke.» Die Schule war direkt um die Ecke, aber das war in diesem Ort sowieso alles. Ich könnte Hoya vermutlich sogar mit dem Rad einmal komplett umrunden und würde dafür keine Stunde brauchen. Es wäre absolut lächerlich, wenn mich mein Vater mit Auto bringen würde. Gipsfuß hin oder her. Außerdem brauchte ich den Fahrtweg, um mich seelisch auf das vorzubereiten, was danach auf mich zukommen würde.
    «Ganz, wie du willst», lächelte mein Vater. «Viel Spaß in der Schule.»
    Den würde ich ganz bestimmt nicht haben. Aber der Tag würde vorübergehen. So wie alle anderen auch. «Danke, Pa.» Ich zwang mich zu einem Lächeln. Es fühlte sich verkrampft und irgendwie falsch an, aber ich war mittlerweile ganz gut darin, es einigermaßen überzeugend rüberzubringen.
    Sobald ich aus dem Haus war, entspannte ich meinen Kiefer, zog mir die Kapuze über den Kopf und weit ins Gesicht und schob mir meine Sonnenbrille auf die Nase.
    «Großer Gott», kommentierte gleich die dämliche Fratze über der Tür sarkastisch. «Seit wann ist denn der Gothiclook wieder in Mode?»
    Ich ignorierte ihn und zwang mich dazu, mich nicht nochmal umzudrehen, um ihm einen feindseligen Blick zuzuwerfen, sondern humpelte stattdessen zielstrebig den Weg zu meinem Fahrrad entlang.
    Irgendwie schaffte ich es mit dem Gips auf den Sattel und die Pedale, und sobald ich erst einmal am Fahren war, lief es eigentlich sogar ganz gut. Nur das Abbremsen an Ampeln war kompliziert. Ich schaffte es innerhalb von fünfzehn Minuten zur Schule. Wenn ich den Gips los war, würde ich vermutlich sogar nur noch halb so lange brauchen.
    Sobald ich auf dem Schulhof war, hefteten sich die ersten Blicke an mir fest. So etwas wie Anonymität gab es in Orten wie diesen nicht, und dass die durchgedrehte Tochter von Rüdiger Engel wieder hergezogen war, hatte bereits längst vor meinem Erscheinen die Runde im ganzen Kaff gemacht. Ich hatte damit gerechnet. Ich hatte mich seelisch darauf vorbereitet. Aber das Glotzen ging mir trotzdem ziemlich auf die Nerven.
    Ich schob mein Rad zum Fahrradständer und kettete es dort an, ehe ich den Eingang ansteuerte. Mit dem Gipsfuß war ich leider nicht allzu schnell und ich spürte den ganzen Weg bis zur Tür die Blicke in meinem Rücken. Einige der Schüler hielten sogar in ihren Gesprächen inne und fingen an zu tuscheln, als ich an ihnen vorbei kam.
    Ich schob die Hände in die Taschen meiner Jeans und versuchte mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Dann endlich erreichte ich die Eingangstür und verschwand im Inneren des Gebäudes. Ich konnte nicht behaupten, dass sich hier viel verändert hätte. Selbst die meisten Gesichter kannte ich noch, auch wenn ich mich nicht unbedingt an die dazugehörigen Namen erinnern konnte.
    «Louise?!»,
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