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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben
Autoren: Esther Hazy
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passierte nur wegen mir. Weil ich lebte, mussten andere sterben.
    «Wir haben es bald geschafft, Ska», sagte Blaze flehentlich. «Komm schon, wir finden einen Wagen und fahren die nächsten Tage durch, bis wir die Grenze erreichen, ja?!»
    «Ich will nicht mehr weglaufen, Blaze. Selbst wenn wir es nach England schaffen, sie werden nie aufhören, mich zu suchen. Sie werden uns überall finden. Das ist nur eine Frage der Zeit! Ich bin es leid, immer nur auf der Flucht zu sein.»
    «Was dann?», fragte Blaze nun, der zunehmend verzweifelter wirkte. «Willst du kämpfen? Für welche Seite würdest du dich denn entscheiden?! Und kannst du damit wirklich umgehen, Ska? Über Leute zu richten und vielleicht auch welche zu töten?! Denn eine andere Alternative haben wir nicht!»»
    «Doch, einen anderen Weg gäbe es noch», murmelte ich und wich seinem Blick aus. Ich konnte ihm nicht in die Augen schauen, ich fühlte mich furchtbar.
    «Nein!», rief Blaze, als ihm offenbar ein Licht aufging. «Nein, Ska! Das ist keine Alternative! Hörst du?! DAS IST KEINE ALTERNATIVE!»
    «Für mich schon.» Ich sah jetzt doch wieder auf und blickte ihm ins Gesicht, weil ich wissen musste, dass er auf mich hören würde. «Blaze, du kannst das Ganze beenden. Verstehst du das denn nicht? Wenn ich nicht mehr da bin, gibt es keinen Grund mehr, diesen sinnlosen Krieg weiterzuführen! Und du kannst damit anfangen, etwas Neues aufzubauen! Eine Demokratie oder irgendein System, nach dem die Paranormalen leben können, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen! Es ist sowieso ein Wunder, dass die Leute noch nie etwas Derartiges versucht haben.»
    «Es gab Versuche vor einigen Jahrzehnten. Aber die sind alle gescheitert. Das ändert nichts, Ska!»
    «Weil alle immer noch auf diese dämliche Prophezeiung gesetzt haben!», rief ich und tastete in meiner linken Hosentasche nach dem Fläschchen. «Und weil sie dich nicht hatten! Wenn irgendjemand es schafft, die Leute voranzubringen, dann bist du das, hörst du?! Ich weiß, dass du das kannst und ich verlass mich auf dich.» Damit rannte ich los, während ich mich auf das nahegelegene Haus konzentrierte und mir vorstellte, wie es zum Leben erwachte.
    «NEIN! SKA!!!» Blaze hinter mir schrie und ich wusste, dass er mir nachgelaufen kam und mir nur wenige Sekunden blieben, also ratterte ich alle Gedanken so schnell ab, wie ich nur konnte, ehe sich die Steine schließlich in Bewegung setzten und das ganze Gebäude mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf mich niedersauste.
    Die winzige Höhle, in der ich jetzt verborgen war, bot gerade genug Platz, dass ich meinen Arm heben konnte. Ich griff einen der kleineren Steine, holte tief Luft und ratschte damit über meine Stirn. Ein wenig Blut stob aus der Schramme und hinterließ einen stechenden Schmerz, aber ich biss die Zähne zusammen und fingerte in meiner linken Hosentasche herum, sodass ich den Flakon herausziehen konnte, und setzte den Trank an meine Lippen, ehe ich es mir nochmal anders überlegen konnte. Der Tod oder diese grausame Foltermethode schmeckte bitterlich süß und lag wie zäher Schleim auf meiner Zunge. Ich spürte, wie das Mittel durch meinen Körper raste und ich hatte gerade genug Zeit, die Flasche irgendwo zwischen die Steinhaufen zu schieben, ehe die Lähmung einsetzte und ich mich nicht mehr rühren konnte.
    Ich merkte, wie mein Puls langsamer wurde und wie mein Atem zum Stillstand kam und es wunderte mich, dass ich nicht augenblicklich starb. Aber ich war immer noch da und völlig klar im Kopf und lauschte angespannt auf die Geräusche um mich herum.
    Durch die dicken Gesteinsbrocken konnte ich nur gedämpft hören, wie draußen Blaze schrie und brüllte und wie sich allmählich andere Stimmen dazu mischten, während schleifende Geräusche offenbar von weggeschobenen Steinen verursacht wurden.
    Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis irgendwann Licht auf mein Gesicht fiel. Ich wollte die Augen zukneifen, weil es mich so blendete, aber es ging nicht. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr.
    Ich bereute es, Blaze nicht eingeweiht zu haben in dem Moment, in dem ich ihn sah. Der Schmerz, der ihm ins Gesicht geschrieben stand, machte mir Angst. Denn diesen Ausdruck hatte ich erst einmal im Leben gesehen und das war in meinem Spiegelbild gewesen. Ein Schmerz, bei dem man nicht einmal mehr weinen konnte oder irgendetwas sagen, weil die ganze Welt um einen herum zerbrach und man nicht wusste, wie man damit noch irgendwie weiterleben
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