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Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition)
Autoren: Kate Ellison
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Bettdecke.
    ***
    Mein Hintern friert unter dem Rock, als ich auf der Verandatreppe auf Flynt warte. Er müsste jede Minute kommen. Acht. Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht, als mir diese Zahl in den Sinn kam – diese meistgehasste aller Zahlen, aller Zeiten. Natürlich, natürlich wird alles schiefgehen – er wird nicht kommen. Ich werde auf dem Abschlussball sitzengelassen und in einem lächerlichen Retro-Outfit frieren, das ich sowieso nie hätte anziehen sollen. Vielleicht fährt er auf einem Roller vom Müll vorbei und wirft mir Eier an den Kopf.
    Acht  – ich habe selbst damit angefangen.
    Aber dann sehe ich ihn, wie er um die Ecke unseres Häuserblocks biegt, in einem mintgrünen Smoking mit schwarzweiß gestreiftem Kummerbund, in großen braunen Stiefeln mit langer Zunge und mit der Bärenmütze. Er hat sich eine knallrote Feder hinter das linke Ohr gesteckt. Ich glätte meinen Rock mit den Händen und presse noch einmal die Lippen zusammen, flüstere drei Mal seinen Namen. Flynt. Flynt. Flynt.
    Drei Mal für eine Chance in der Hölle, für eine Chance, alles richtig zu machen. Und dann tippe ich sanft auf die drei kalten Holzstufen unserer Veranda; neun, neun, sechs. Banane, Banane, Banane. Zum Glück bin ich gerade fertig, als er ankommt.
    Er verbeugt sich großartig. Ich stelle mich hin und knickse. Mein langes schwarzes Haar fällt mir ins Gesicht.
    «Lo …» – er richtet sich wieder auf und beißt sich auf die Lippe. Er betrachtet mich genau, genauso wie in dem Moment, als er mich zeichnete, als ob ich das Erste wäre, was er je gesehen hat, als ob sich ein Sonnenstrahl in die schwärzeste Höhle verirrt hätte, als ob ich ein Wassertank in der Wüste wäre: «Du siehst wunderschön aus.»
    Der Mond scheint durch die Bäume, Flynts Augen glitzern. Er zieht seine Hand hinter dem Rücken hervor und übergibt mir einen Strauß selbstgemachter Blumen – Metallstückchen, Stofffetzen, Papier und Blätter, mit Draht und Band zusammengebunden.
    «Die hab ich dir mitgebracht», fährt er fort und grinst, «frohen Abschlussball. Das sagt man doch, wenn man dahin geht, oder?»
    «Sagt man, obwohl das eigentlich ein furchtbarer, nervenzerrüttender Feiertag ist», antworte ich schnell, und ich spüre, wie die Worte nervös in meinem Mund blubbern. «Dir auch einen frohen Abschlussball. Die Blumen sind …» – ich erröte heftig – «… wunderschön.»
    Ich wende mich schnell zum Haus um und bin überrascht, das Gesicht meines Vaters zu sehen, das im Fenster schwebt. Er beobachtet uns. Dann lächelt er, winkt halb und zeigt uns den hochgereckten Daumen. Ich winke zurück. Und ich lächle zurück.
    Und dann hakt sich Flynts mintgrüner Arm bei mir ein, und wir brechen auf ins große Unbekannte: zum George-Washington-Carver-High-Abschlussball.
    «Du hast schon wieder ein Neil-Armstrong-Erlebnis», necke ich ihn. Wir gehen durch die glatten, rattenfreien Straßen der Vorstadt, wo alle Fenster in den identischen Häusern ganz unversehrt sind, wo blau-orangefarbene Lampen auf den Rasenflächen und an den Betoneinfahrten stehen, im immer gleichen Drei-Meter-Abstand. «Jetzt, wo du den ganzen Weg nach Lakewood gekommen bist. Was ja quasi hinter dem Mond liegt …»
    «Es ist, als ob man zum Pluto flöge, Königin P., der ja, wie du sicher bereits weißt, nicht mal mehr ein Planet ist.»
    «Willst du damit sagen, dass es Lakewood gar nicht gibt?»
    «Genau. Das will ich damit sagen», bestätigt Flynt und nimmt meine freie Hand in seine. «Also, wenn du deine Schule in Kategorien der Tierwelt unterteilen müsstest, oder sagen wir mal von Primaten, wer wäre der Affenkönig und warum?»
    Ich lache. «Na ja, ähm, wenn es dabei nur um die Haarigkeit geht …»
    «… ja», unterbricht Flynt, «so kannst du es machen.»
    «Na gut, also in Sachen Haarigkeit ist Ganesh Liebowitz ganz weit vorn – ich habe mal gehört, wie Kirby aus unserem Biokurs sagte, dass sie zusammen beim Sport gewesen seien und man wirklich keinen Zentimeter Haut sehen könne, wenn er sich umzieht.»
    «Wow. Sport», grübelt Flynt. «Was macht man eigentlich in so einer Sportstunde? Ich kann mich nicht erinnern.» Er zieht ein Blatt von jedem der drei Schwarzen Tupelobäume, an denen wir vorbeigehen. Jetzt sind wir nur noch einen Häuserblock von der Schule entfernt. Man kann schon den kastenartigen roten Ziegelbau, den grünen Rasen und die Bäume an der Auffahrt sehen. «Muss man sich nach der Stunde duschen?», fährt
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