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Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition)
Autoren: Kate Ellison
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war. Er hat versucht, alles zu sortieren, zu trennen, neu zu ordnen. Mein Herz wird ganz weit.
    Ich knie mich neben das Bett, ziehe die alte Zigarrenkiste hervor und nehme zwei Briefe heraus. Zwei Briefe von Oren. Briefe, die ich versteckt gehalten habe, Geheimnisse. Kurz und auf den Punkt, steht in beiden fast dasselbe:
Liebe kleine Schwester,
ich wollte dir nur sagen, dass ich dich vermisse. Ich kenne dich seit dem Tag, an dem du auf die Welt gekommen bist, und es ist ein komisches Gefühl, dass ich dich gerade jetzt nicht kenne. Ich weiß nicht, wie lange ich fortbleiben werde, aber ich musste gehen. Ich habe immer nur allen das Leben kaputt gemacht, und ich fand das furchtbar. Ich will das nicht. Sieh zu, dass sich keiner an meinen Sachen vergreift, o.k.? Ich hab dich lieb, Lo.
Dein großer Bruder Oren
    Und sie enden beide mit demselben Satz:
    P. S. – drück Mom und Dad von mir.
    Zurück in der Küche, gießt Dad dampfendes Wasser in zwei Becher, stellt sie auf den Küchentisch und legt die Hände um den großen mit den Blumen, aus dem immer nur Mom trinken durfte. «Kamille okay, Lo?», fragt er. «Was anderes haben wir nicht. Und das ist meine Schuld, ich weiß – ich war so … abgelenkt . Ich nehme an, mir ist hier einiges entgangen.» Er lacht traurig auf.
    Ich gebe ihm die Briefe, die ich fest in der Hand gehalten habe. «Kamille ist prima.»
    «Was ist das?», fragt er leise und ein wenig ängstlich.
    «Lies sie einfach.»
    Ich setze mich an den Tisch und halte meinen Becher in der Hand, während er liest. Als ich wieder hochschaue, lächelt er. Dicke Tränen laufen ihm die Wangen hinunter. Und ohne lange darüber nachzudenken – es ist wie ein Instinkt, eine Naturerscheinung, so machtvoll wie die Geburt –, stehen wir auf und umarmen uns und ich atme Dads Geruch ein. Es ist lange her, seit ich ihm so nahe gekommen bin, dass ich ihn riechen kann – er riecht nach Leder und Pfefferminz und Saft und Wärme. Es ist der sicherste Geruch der Welt. Es ist der Geruch, der bedeutet, dass man in sein Zimmer getragen und in einem großen, warmen Bett in den Schlaf gesungen wird.
    Und das Haus scheint um uns herum zu leuchten, sich zu füllen und leichter zu werden, als es lange Zeit war. Unsere müden, hoffnungsvollen Herzen hämmern gegen unsere Brust, und ich weiß, dass sich die Dinge ändern werden. Ich drücke Dad fester.
    Die Dinge ändern sich bereits.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 33
    Wieder in der Schule zu sitzen, nachdem man dem Tod gerade noch so von der Schippe gesprungen ist, ist unglaublich merkwürdig. Aber merkwürdig auf eine andere Art als damals, als ich nach Orens Tod wieder in die Schule musste. Damals war alles mit feiner, dunkler Asche bedeckt, verschleiert und schemenhaft. Jetzt wirkt alles ein wenig leichter, schärfer. Auch jedes Geräusch. Lauter, definierter.
    Es gibt Gerüchte, nach denen Jeremy Theroux Keri Ram letzte Woche endlich zum Abschlussball eingeladen hat.
    Ich sehe Keri direkt nach der vierten Stunde. Sie und Jeremy stehen beieinander. Sie hat sich selig gegen ihren Spind gelehnt, richtet sich aber sofort auf, als sie mich sieht.
    «Hey, Lo!», ruft sie und winkt. Die Worte dringen zu mir wie ein warmer Strahl. Ihre Augen glänzen, ihre Wangen sind rosig.
    Jeremy dreht sich ebenfalls um. Er wird rot, winkt mir schüchtern zu und lächelt. Mit der anderen Hand fasst er Keris fester.
    Ich lächele zurück. Sie tun das Richtige, sie passen zusammen . Ich wusste, dass sie das tun würden, ebenso wie ich genau weiß, warum die übriggebliebenen Steinwölfe und die Steinbären nebeneinander in meinem Zimmer stehen oder dass der chinesische Pfauenteppich fünf Zentimeter vom Kirschholz-Setzkasten entfernt am besten aussieht. Ihr Lächeln wird noch breiter. Dann wendet sie sich wieder Jeremy zu, hakt sich bei ihm ein, und der doppelte Rotschopf geht zusammen zur letzten Stunde.
    Mein Herz strahlt in meiner Brust. Vielleicht bin ich doch nicht so ein hoffnungsloser Fall. Vielleicht – vielleicht werden wir sogar mal Freunde. Ich stelle es mir vor: Keri und Jeremy, Flynt und ich. Wie wir zusammen abhängen. Uns Pizza holen. Mülltonnen-Bowling spielen.
    Plötzlich … habe ich eine Idee.
    ***
    Die Busfahrt nach Neverland fühlt sich genauso wie die Schule neu an. Mein Körper ist ein Durcheinander aus Nerven und Aufregung und übriggebliebener Furcht. Licht scheint hell durch die Fenster.
    Draußen wird es wärmer – endlich – neue Gerüche steigen aus den
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