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Schmerzlos: Thriller (German Edition)

Schmerzlos: Thriller (German Edition)

Titel: Schmerzlos: Thriller (German Edition)
Autoren: Meg Gardiner
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Shepard sah nur das Äußere, nicht das, was dahintersteckt. Für sie zählte nur der erste Eindruck, und den ersten Eindruck von mir hatte sie bereits zwei Wochen nach Beginn meines ersten Jahres an der Highschool bekommen, an dem Tag, als unsere Klasse eine Exkursion in den Renegade Canyon machte.
    »Sie hat gesagt, ich würde die anderen aufhetzen.«
    »Dann warst du obendrein auch eine Unruhestifterin? Was hast du mir denn noch alles aus deiner geheimen Vergangenheit verschwiegen? Tieropfer?«
    »Willst du das wirklich wissen?«
     
    An jenem Tag stieg ich aus dem Schulbus in die Hitze hinaus und zog mir die Baseballmütze tief ins Gesicht. Wir waren achtzig Kilometer über eine menschenleere Straße bis zur Grenze des Navy-Stützpunkts gefahren, und das nur, um die prähistorischen Felszeichnungen an den Wänden des Canyons zu besichtigen.
    Miss Shepard winkte uns zu sich. »Alle zu mir, bitte. Mit euren Skizzenblöcken.«
    Ich schützte meine Augen mit der Hand vor dem grellen Sonnenlicht und schlurfte mit tief gesenktem Kopf weiter. Der Sunblocker lag in meinem Rucksack unter meinem Tagebuch und einem mit Eselsohren versehenen Exemplar von Orson Scott Cards Das große Spiel. Blasse Haut, blasse Gedichte, Science-Fiction. Ich wusste, dass ich ein Freak war.
    Der Canyon zog sich kilometerlang durch schwarze Felsen, die mit karmesinroten und gelben Flechten überzogen waren. In die Wände waren Zeichnungen eingeritzt, die an Graffiti erinnerten. Schlangen. Rotwild. Dickhornschafe. Sonderbare menschliche Gestalten mit Spiralen als Gesichtern und Köpfen, aus denen Druckwellen drangen, die sich wie Geister fast zwanzig Meter in die Höhe schraubten. Das Licht schien hier förmlich zu summen.
    Miss Shepard stapfte durch den weichen Sand und winkte. »Stellt euch vor, wie die jungen Krieger sich zwischen den Felsen versteckt haben. Und wie der Schamane diese Bilder in das Gestein geritzt hat, um für eine erfolgreiche Jagd zu sorgen.«
    Ich starrte auf das Bild eines gehörnten Menschen, der Krallen statt Füße zu haben schien. Jemand drängelte sich an mir vorbei und stieß gegen meine Schulter. Die dazugehörige Stimme war so scharf wie eine Nadel.
    »Du hast Nasenbluten.«
    Meine Hand schoss zu meiner Oberlippe. Valerie kicherte und wandte sich ab.
    Miss Shepard runzelte die Stirn. Ich fand ein zerknülltes Papiertaschentuch in meiner Tasche, doch meine Nase blutete gar nicht. Valerie hatte mich mal wieder reingelegt.
    Miss Shepard drehte sich im Kreis. Ihr langer, fließender Rock flatterte, die Ohrgehänge tanzten in der Sonne. »Wenn die Schamanen das Beutetier zeichneten, gaben sie dem Jäger dadurch die Macht über das Tier. Schaut mal, hier.«
    Es stimmte tatsächlich. Die Wände waren über und über mit Dickhornschafen bedeckt. Jäger spießten Schafe auf, Bogenschützen erlegten Schafe, Hunde griffen Schafe an. Und manchmal sahen diese Schafe ziemlich gruselig aus; es gab welche mit zwei Köpfen und große mit kleinen im Bauch. Es war ein einziges Chaos.
    »Beachtet die Symbole. Die Schlange steht für Fruchtbarkeit. Und die Spirale ist der Nabel der Mutter Erde, aus der der Mensch entstanden ist.«
    Die anderen kicherten, manche flüsterten Igitt. Und hinter mir wurde getuschelt.
    Valerie, Abbie und Tommy entfernten sich langsam von unserer Gruppe. Nachdem sie einen verstohlenen Blick auf Miss Shepard geworfen hatte, schlich sich Valerie zwischen zwei Felsen und war plötzlich verschwunden. Abbie sah sich um und vergewisserte sich, dass die Luft rein war. Dabei bemerkte sie mich.
    Sie erstarrte. Der Ausdruck hinter ihren Brillengläsern war eindeutig: Du bist neu. Verpfeif uns bloß nicht. Dann flüsterte sie: »Willst du mitkommen?«
    Tommy neben ihr nickte. Er war ein schlanker, drahtiger Junge mit großen braunen Augen und gehörte eindeutig zu den coolen Typen an meiner Schule. Er formte Mach schon mit den Lippen und verschwand zwischen den Felsen. Ich folgte ihnen.
    Abbie rannte los wie der Blitz. Ihre blonden Haare flogen. Tommy und ich liefen hinter ihr her. Er lächelte mir zu. Ich lächelte aufgeregt zurück in dem Gefühl, Freunde gefunden zu haben .
    Aus dem Spalt zwischen den Felsen wurde ein schmaler Weg, der steil nach oben führte. Nach hundert Metern hatten wir Valerie eingeholt. Sie lachte. Bis sie mich sah.
    »Was macht die denn hier?«
    Valerie hatte bereits Hüften und einen richtigen Busen, trug tief sitzende Jeans und eng anliegende Oberteile und roch nach Parfum und Zigaretten.
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