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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende
Autoren: Val McDermid
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hatte. Von künftigen Mordopfern, von denen Carol und er noch nichts ahnten. Und er dachte daran, daß man in ihrem Beruf etwas brauchte, was einen mit all den Schrecken versöhnte. Die Kraft dazu fand man nicht durch die tägliche Arbeit, wohl aber durch Freundschaft.
    Sein Gesicht hellte sich auf, er brachte sogar ein Lächeln zustande. »Weißt du, ich glaube, du könntest recht haben.«

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    Epilog
    M ord ist wie Magie, dachte er. Die Geschicklichkeit seiner Hand hatte das Auge bisher noch immer getäuscht, und dabei sollte es bleiben. Sie glaubten, sie hätten ihn in die Enge getrieben und praktisch schon in Ketten gelegt. Aber er war Houdini. Er sprengte die Ketten, wenn sie es am wenigsten erwarteten.
    Jacko Vance lag, den Kopf auf den linken, gesunden Arm gebettet, auf der schmalen Pritsche in der Polizeizelle, starrte zur Decke hoch und fühlte sich an die Zeit im Krankenhaus erinnert. Da hatte er sich auch nicht frei bewegen können und war nahezu erstickt an seiner hilflosen Wut und Verzweiflung. Hier würde es ihm genauso gehen, wenn er nicht bald rauskam. Damals im Krankenhaus hatte ihn nur der Gedanke aufrecht gehalten, daß er eines Tages wieder frei wäre. Und nun mußte er erneut all seine überragende Intelligenz aufbieten, um dieses Ziel zu erreichen.
    Die Beweise waren dünn. Obwohl er nicht leugnen konnte, daß Tonys Geschick, sie gegen ihn auszuspielen, beeindruckend war. Es wurde bestimmt nicht leicht, den Psychologen vor Gericht als unglaubwürdig darzustellen, selbst dann nicht, wenn er vorher den Presseleuten das Märchen von Tonys unglücklicher Liebe zu Micky weismachte. Was sowieso schwierig war, weil der Kerl irgendwie hinter Mickys lesbische Veranlagung gekommen war. Wenn Tony das vor Gericht aussagte, schadete er nicht nur Mickys Ansehen, er zerpflückte auch ihm, Jacko Vance, das Argument, daß ein Mann, der mit einer so wunderschönen Frau verheiratet ist, keine anderen Frauen braucht.
    Nein, wenn es vor Gericht zu einem Wortgefecht kam, geriet er, selbst bei einer Jury aus treuen Fernsehfans, in Argumentationsnot. Er mußte spätestens in der vorangehenden Anhörung dafür sorgen, daß es überhaupt nicht zu einer Hauptverhandlung kam. Und das hieß, daß er die Beweise gegen ihn überzeugend widerlegen mußte.
    Die größte Gefahr war diese Pathologin, samt den Erkenntnissen, die sie aus den unverwechselbaren Merkmalen des verwendeten Werkzeuges gewinnen konnte. Wenn er das als fragwürdig entlarven konnte, hatten sie nur noch Indizienbeweise. So gewichtig die auch in ihrer Gesamtheit sein mochten, er traute sich zu, ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Nur, bei dem Schraubstock lagen die Dinge anders.
    Der erste Schritt war, bei den Geschworenen Zweifel zu wecken, ob dieser Unterarmknochen wirklich der von Barbara Fenwick war. Eine Universität konnte pathologisches Anschauungsmaterial nicht so sicher aufbewahren wie die Asservatenkammer der Kriminalpolizei. So ein konservierter Unterarm ging doch im Lauf der Jahre durch Gott weiß wie viele Hände. Er konnte gegen irgendeinen anderen, vorsätzlich mit Hilfe seines Schraubstocks zerschmetterten Arm ausgetauscht worden sein. Zum Beispiel von einem Police Officer, der ihn unbedingt belasten wollte. Oder ein paar Studenten hatten der Uni einen makabren Streich gespielt und einen anderen Arm in den Aufbewahrungsraum des Anschauungsmaterials geschmuggelt. Ein paar Bruch- und Splitterstellen da und dort, damit hatte sich’s schon.
    Der zweite Schritt war, den Beweis zu erbringen, daß dieser Schraubstock sich vor zwölf Jahren, als Barbara Fenwick gestorben war, noch gar nicht in seinem Besitz befunden hatte. Er lag auf der harten Matratze und zermarterte sich das Hirn, um eine Lösung zu finden. »Phyllis«, murmelte er schließlich. Ein gerissenes Grinsen huschte über sein Gesicht. »Phyllis Gates.«
    Sie war unheilbar an Krebs erkrankt, der mit einem Tumor in ihrer linken Brust angefangen und sich dann durch ihr Lymphsystem gefressen hatte, bis schließlich – und das war der Anfang vom Ende gewesen – das Rückenmark befallen wurde. Er hatte viele Nächte an ihrem Bett verbracht, sie getröstet oder nur stumm ihre Hand gehalten. Er saß gern neben Menschen, nach denen der Tod schon die Knochenhand ausstreckte, denn das machte ihm die eigene, kraftstrotzende Gesundheit um so bewußter. Wenn sie schon lange dahingeschieden waren, konnte er das Leben noch in vollen Zügen genießen als einer von denen, die ganz oben waren.
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