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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende
Autoren: Val McDermid
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zwölf Jahre in der Erde gelegen hat.«
    »Da würde ich Ihnen voll zustimmen«, sagte Tony. »Aber sehen Sie, die Pathologin, die Barbara Fenwicks Leiche obduziert hat, hatte noch nie eine vergleichbare Verletzung gesehen. Und wißbegierig, wie Universitätsprofessoren nun mal sind – es handelt sich um die schon erwähnte Professorin Elizabeth Stewart –, hat sie damals die Zustimmung des Innenministeriums eingeholt, Barbara Fenwicks Unterarmknochen als Anschauungsmaterial für Unterrichtszwecke aufbewahren zu dürfen. Sie hatte nämlich, wie’s der Zufall will, eine winzige Unebenheit in der unteren Zwinge des verwendeten Werkzeugs ausgemacht. Winzig, wie gesagt, aber dadurch wird der Vergleich zwischen einem bestimmten Werkzeug und den Verletzungen von Barbara Fenwick und Donna Doyle zu einem ebenso unwiderlegbaren Beweis wie ein Fingerabdruck.«
    Vance starrte ihn wortlos an.
    »Als Liz Stewart einen Ruf nach London annahm, ließ sie Barbara Fenwicks Unterarm in Manchester zurück, und dort liegt er nun seit zwölf Jahren konserviert als anatomisches Lehrbeispiel in der Universität.« Tony lächelte nachsichtig. »Und so wird plötzlich aus einem Indizienbeweis ein wissenschaftlich gesicherter Beweis. Erstaunlich, nicht wahr?«
    Er ging zur Tür, öffnete sie und drehte sich noch einmal um. »Ich war übrigens nicht hinter Ihrer Frau her.
Meine
sexuellen Neigungen waren nie so abartig, daß ich mich hinter einer Lesbierin verstecken mußte.«
    Er gab dem Uniformierten auf dem Flur einen Wink, wieder in das Vernehmungszimmer zu gehen. Und als er allein war, lehnte er sich erschöpft an die Wand, sank in die Hocke und barg das Gesicht in beiden Händen.
    So fand ihn Carol Jordan zehn Minuten später vor, die in einem Nebenzimmer gemeinsam mit Marshall die Abrechnung zwischen Jäger und Gejagtem verfolgt hatte. Sie kauerte sich neben Tony und nahm ihn in die Arme.
    Er sah hoch. »Was glaubst du?« fragte er beklommen.
    »Du hast Phil Marshall überzeugt. Er hat mit Professor Stewart gesprochen. Sie war nicht sonderlich begeistert, mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen zu werden, aber als sie hörte, worum es geht, war sie sofort Feuer und Flamme. Es gibt einen Nachtzug aus London, der etwa um neun hier eintrifft, und mit dem kommt sie. Marshall sorgt dafür, daß bis dahin Barbara Fenwicks Arm aus der Universität Manchester geholt wird. Wenn die Spuren mit der Unebenheit an Vance’ Schraubstock übereinstimmen, wird er einen Haftbefehl beantragen.«
    Tony schloß die Augen. »Dann kann ich nur hoffen, daß er immer noch dasselbe Werkzeug benutzt.«
    »Oh, da bin ich ziemlich sicher«, sagte sie zuversichtlich. »Wir haben ihn beobachtet. Du hast das nicht sehen können, aber als du ihm das mit Professor Stewart und dem konservierten Arm gesagt hast, fing sein rechtes Bein zu zucken an. Er konnte das Zittern nicht unter Kontrolle bringen. Ich wette, er hat noch denselben Schraubstock.«
    Tony stand auf, zog Carol mit hoch und grinste sie an. »Dann ist es also doch gelaufen.«
    »Weil du großartige Arbeit geleistet hast. Ich bin richtig stolz, daß ich am Schluß doch noch zu deinem Team gehört habe.«
    Tony machte eine Bewegung, als wolle er sie in die Arme nehmen. Doch dann ließ er die Arme sinken. Er holte tief Luft, ehe er sagte: »Carol, ich bin lange vor dir weggelaufen.«
    Carol nickte. »Ich glaube, ich verstehe, warum.« Aber weil es das erste Mal war, daß sie darüber sprachen, konnte sie ihm nicht in die Augen sehen.
    »Ach ja?«
    Ihre Wangenmuskeln strafften sich, und dann schaffte sie es doch, ihn anzusehen. »Ich hatte kein Blut an den Händen. Darum konnte ich nicht verstehen, wie man sich dabei fühlt. Durch Di Earnshaws Tod ist das anders geworden und durch die Tatsache, daß weder du noch ich Donna Doyle retten konnten.«
    »Eine eher belastende Gemeinsamkeit«, warf Tony ein.
    Carol hatte sich den Augenblick, den sie jetzt erlebte, oft ausgemalt und geglaubt, ganz genau zu wissen, welche Erwartungen und Wünsche sie damit verband. Um so mehr erschrak sie darüber, daß ihre Empfindungen ganz anders waren, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie legte Tony die Hand auf den Arm und sagte: »Ich glaube, manchmal kann Freundschaft zwei Menschen mehr verbinden als Liebe, Tony.«
    Er sah sie lange stirnrunzelnd an. Durch seinen Kopf spukten bedrückende Bilder, von all den Mädchen, deren qualvollem Sterben Jacko Vance ungerührt zugesehen hatte, von all dem, was er Shaz Bowman angetan
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