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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Ausgerechnet Hamburg!«
    Mir fiel nicht ein, was an Hamburg so außergewöhnlich sein
sollte, dass es gegen einen Konzertneubau spräche. Also schwieg ich.
    »Wissen Sie«, sagte Frau von Wonnegut, und ihre Stimme bekam
eine melancholische Note. »Ich habe eine Vision. Und viele meiner Freunde
teilen sie. Die Vision, dass hier in Heidelberg eines Tages der komplette Ring aufgeführt wird.«
    Dabei blickte sie mich so zustimmungsheischend an, dass ich
reagieren musste. »Welcher Ring ?«, fragte ich.
    » Der Ring des Nibelungen «, sagte sie kalt. Selbst von
einem Privatflic hatte sie sich eine andere Reaktion erhofft. »Vier Abende
Wagner im neuen Opernhaus am Neckar. Oder im Herzen der Altstadt, auf
historischem Grund. Vielleicht halten Sie mich für sentimental, aber wenn ich
nur einmal die Götterdämmerung in meiner Heimatstadt hören dürfte,
dirigiert von Enoch Barth-Hufelang, dann könnte ich beruhigt sterben.«
    Mir blieb der Käse im Hals stecken. Klein und zäh, wie die
Alte wirkte, lag jeder Gedanke an ihren bevorstehenden Tod verdammt fern.
»Verstehe«, log ich schließlich.
    »Unser Projekt hat bereits einen Namen: der Heidelberger
Ring 2012 . Behandeln Sie das bitte als vertrauliche Information. Überhaupt
habe ich Ihnen all dies nur erzählt, damit Sie sich ein Bild von unserem
Förderverein machen können. Wir haben große Pläne, Herr Koller, und um sie zu
verwirklichen, brauchen wir fähige Menschen. Die richtigen Personen am
richtigen Platz, verstehen Sie?«
    »Sie meinen mich«, grinste ich.
    »Nein«, erwiderte sie, um sich sofort zu verbessern. »Doch,
Sie brauchen wir auch. Entschuldigen Sie bitte. Ich dachte in diesem Fall an
Menschen wie Herrn Barth-Hufelang, der ein ausgezeichneter Dirigent ist, der
beste, den diese Stadt je hatte, und der deshalb über kurz oder lang
attraktivere Angebote bekommen wird. Es sei denn, wir können ihm eine lohnende
Perspektive in Heidelberg bieten.«
    »Den Ring 2012 .«
    »Richtig. Und wir brauchen jemanden wie Bernd Nagel, der als
Geschäftsführer ein Glücksfall ist, weil er eine außergewöhnliche Ausstrahlung
hat und bei den Sponsoren hervorragend ankommt.«
    Erst recht bei den Sponsorinnen, dachte ich.
    Ein graues Etwas schob sich in den Raum. Frau Stein stand auf
der Schwelle, die Hände gefaltet, die Lippen zu einem schmalen Strich
zusammengepresst.
    »Fehlt noch etwas, Herr Koller?«, säuselte die Hausherrin.
»Kaffee, Brötchen, etwas anderes?«
    »Danke, ich bin zufrieden. Es schmeckt hervorragend,
wirklich. Vielen Dank, Frau Stein.«
    Wortlos verließ die Frau den Wintergarten.
    »Trotzdem dürfte die Musik etwas lauter sein«, rief ihr Frau
von Wonnegut hinterher. »Ich hatte Sie nicht angewiesen, sie komplett
auszustellen.«
    Ich schüttelte einige Krümel von meinem Pullover. »Wenn ich
Sie richtig verstanden habe«, sagte ich, »ist Herr Nagel ein wichtiger
Bestandteil Ihrer Pläne. Beziehungsweise der Pläne Ihres Vereins.«
    »Sehr richtig. Und deshalb möchten wir Sie engagieren. Der gestrige
Vorfall hat uns alarmiert, nicht nur weil das Theater nun mit Mord und
Totschlag in Verbindung gebracht wird, sondern wegen Herrn Nagel.«
    »Sie fürchten, dass er mit dem Mord etwas zu tun hat.«
    »Wir fürchten«, sagte sie zögernd, »dass unsere Pläne durch
einen solchen …«
    »Vorfall?«
    »Ja, dass sie durch diesen Vorfall gefährdet sein könnten.«
    »Abhängig davon, inwieweit der Geschäftsführer in den Mord
verstrickt ist.«
    »Wir haben nächste Woche einen wichtigen Termin bei den Heidelberger
Druckmaschinen «, sagte sie und zupfte an ihrer wärmenden Decke. »Ich weiß
nicht, ob Sie ahnen, wie viel Geld diese und andere Firmen in Kultur stecken.
Dort kann ich nicht mit einer Person auftauchen, über die unschöne Dinge
gemunkelt werden.«
    Nun, das waren eindeutige Aussagen. Und sie passten
hervorragend zu der Weltuntergangsmiene Nagels in der vergangenen Nacht. Er
wusste, dass er mehr als seine Ex-Freundin verloren hatte: Sein guter Ruf stand
auf dem Spiel, seine ganze wohlbestallte Reputation. Und für seine Reputation,
dieses Goldene Kalb der braven Heidelberger Bürger, würde ein Mann wie Bernd
Nagel alles tun.
    »Herr Nagel«, sagte ich, »hat die tote Frau Nierzwa entdeckt,
das ist alles. Gemunkel hin oder her.«
    »Sehen Sie«, rief Frau von Wonnegut glücklich, und das charmante
Lächeln von vorhin kehrte schlagartig zurück. »Darum möchte ich Sie engagieren.
Um von Ihnen
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