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062 - John Flack

062 - John Flack

Titel: 062 - John Flack
Autoren: Edgar Wallace
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Einleitung
    Ehrlich gesagt - es ist ungehörig, wenn nicht sogar gesetzwidrig, daß die wenigen Personen, die das traurige Vorrecht besitzen, im Irrengefängnis von Broadmoor aus und ein gehen zu können, auf irgendeinen auffallenden Insassen besonders aufmerksam gemacht werden. Wenn es vorkommt, handelt es sich dabei fast immer um denselben Mann; einen Mann, der sehr berüchtigt gewesen war und dessen Verbrechen ganz England in höchster Spannung gehalten hatten, bis Gerichtsärzte und Gerichtshof ihn nach diesem Platz ohne Hoffnung verbannten.
    Am häufigsten wurde also auf diesen John Flack hingewiesen; meist wenn er gerade über den Gefängnishof schlich, die Hände auf dem Rücken, das Kinn auf die Brust gesenkt, ein langer, dürrer, alter Mann in einem schlechtsitzenden Anzug aus grauem Stoff, der mit niemand ein Wort wechselte.
    »Das ist John Flack . . . Der Flack . . . Der gerissenste Verbrecher der Welt. . . ›Klaps-John-Flack‹ . . . Neun Morde . . .«
    Gefangene, die wegen Totschlags in Broadmoor gehalten wurden, waren in ihren seltenen klaren Augenblicken stolz auf den alten John. Die Beamten, die ihn für die Nacht einschlossen und während seines Schlafs beobachteten, hatten wenig zu seinen Ungunsten zu sagen. Niemals gab er Veranlassung zu irgendeiner Störung, und in all den sechs Jahren seiner Gefangenschaft hatte er nicht einmal einen jener Tobsuchtsanfälle gehabt, die so oft einen armen unbeteiligten Teufel ins Krankenhaus und den rasenden Übeltäter selbst in eine Gummizelle bringen.
    Die meiste Zeit verbrachte er mit Schreiben und Lesen. Er war ein Künstler mit der Feder, und er schrieb mit außerordentlicher Geschwindigkeit. Hunderte von kleinen Schulheften hatte er mit einer großen Abhandlung über »Verbrechen« angefüllt. Der Gefängnisdirektor ließ ihm seinen Willen und erlaubte ihm, seine Hefte zu behalten, in der Hoffnung, diese zu gegebener Zeit seinem bereits sehr interessanten Museum einverleiben zu können.
    Einmal gab ihm der alte Flack - es war ein außerordentliches Zugeständnis - eines seiner Hefte zu lesen, und dar Direktor las und schnappte nach Luft. Der Titel lautete: »Wie raube ich ein Bankgewölbe aus, wenn nur zwei Wächter Dienst haben.« Der Direktor, ein ehemaliger Militär, las und las, hielt zeitweise inne und kratzte sich verblüfft hinter den Ohren; dies Schriftstück in der sauberen, deutlichen Handschrift John Flacks erinnerte ihn lebhaft an einen Divisionsbefehl zum Angriff. Keine noch so unbedeutende Kleinigkeit war übersehen, jedem möglichen Zwischenfall war Rechnung getragen. Es war nicht nur die Zusammensetzung des Betäubungsmittels angegeben, das gebraucht werden sollte, um »den Außenwächter unschädlich zu machen«, es war sogar eine weitere Fußnote beigefügt, die hier wörtlich angeführt werden mag:
    Sollte das Betäubungsmittel nicht zu erhalten sein, rate ich, einen Vorstadtdoktor aufzusuchen und ihm folgende Krankheitserscheinungen anzugeben . . . Der Arzt wird dann das gewünschte Betäubungsmittel in verdünntem Zustand verschreiben. Man verschaffe sich sechs Flaschen von dieser Medizin und wende dann folgende Methode an, um das gewünschte Betäubungsmittel auszuscheiden . . .
    »Haben Sie viel von dieser Sorte geschrieben, Flack?« fragte der Beamte erstaunt.
    »Warum?« John Flack zuckte seine mageren Schultern. »Das mache ich zu meinem Vergnügen, bloß um mein Gedächtnis zu üben. Ich habe schon dreiundsechzig Bücher über das gleiche Thema geschrieben und finde keine Verbesserung mehr. Während der ganzen sechs Jahre, die ich nun hier bin, habe ich keine Verbesserung meines alten Systems austüfteln können.«
    Scherzte er? War das ein Produkt eines kranken Gehirns? Der Direktor, der an die Eigenarten seiner Pfleglinge gewöhnt war, konnte sich über John Flack keine klare Meinung bilden.
    »Wollen Sie vielleicht sagen, Sie haben ein Lexikon über Verbrechen geschrieben?« fragte er ungläubig. »Wo ist es?«
    Statt jeder Antwort verzogen sich Flacks schmale Lippen zu einem höhnischen Lächeln.
    Dreiundsechzig handgeschriebene Bände stellten das Lebenswerk John Flacks dar. Es war eine Leistung, auf die er sehr stolz war.
    Als bei einer anderen Gelegenheit der Direktor wieder auf seine außergewöhnlichen schriftstellerischen Arbeiten anspielte, sagte er:
    »Ich habe damit ein großes Vermögen in die Hände eines geschickten Mannes gelegt - vorausgesetzt natürlich«, fügte er nachdenklich hinzu, »daß er ein resoluter
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