Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:

runter zur Hauptstraße, habe es mir dann anders überlegt und bin umgedreht, zur
Plöck. Dort bin ich auf und ab spaziert, aber fragen Sie mich nicht, wie oft
und bis wohin.«
    »Wie oft und bis wohin?«
    Er warf mir einen verächtlichen Blick zu und schwieg.
    »Betrachten Sie es als Testlauf«, sagte ich. »Spätestens
morgen wird man Ihnen dieselben Fragen stellen. Sie sollten sich wappnen,
meiner Meinung nach.«
    Seufzend vergrub er das Gesicht in den Händen. Aus dem Flur
drangen erregte Stimmen zu uns. »Wenn man den Kopf voll Gedanken hat«, sagte
er, ohne seine Haltung zu verändern, »achtet man nicht auf den Weg. Man läuft
einfach. Bis man genug hat.«
    »Hat Sie jemand gesehen? Beim Verlassen des Hauses zum
Beispiel?«
    Keine Antwort.
    »Niemand?«
    Ruckartig sah er auf. »Der Koch! Der Koch der Ölmühle !
Der hat mich gesehen.«
    »Also sind Sie doch eingekehrt.«
    »Nein. Der Mann stand vor der Tür und rauchte, als ich durch
die Plöck lief. Gesehen hat er mich auf jeden Fall.«
    »Und Sie meinen, er kann sich an Sie erinnern?«
    »Wie soll ich das wissen?«
    Ja, wie sollte er das wissen? Ich konnte seine Angabe
überprüfen, aber würde es ihm helfen? Die Ölmühle liegt bloß einen
Steinwurf vom Theater entfernt. »Sonst noch jemand? Vielleicht etwas weiter
weg?«
    Er überlegte und schüttelte den Kopf.
    »Bis wohin führte Sie Ihr Spaziergang?«
    »Die Plöck hoch zur Unibibliothek, wieder hinunter, einmal
bog ich ab.« Er sah mich fast ärgerlich an. »Wenn ich gewusst hätte, wie
wichtig das werden würde, hätte ich mir jeden Schritt gemerkt.«
    »Und dann kehrten Sie zum Theater zurück? Wann war das?
Welche Szene lief?«
    »Nach der Pause. Wann genau, weiß ich nicht.«
    »Hat Sie da jemand gesehen?«
    Er zuckte die Achseln.
    »Aber hier oben im Verwaltungstrakt waren Sie nicht?«
    »Nein«, sagte er heftig.
    »Eine andere Frage, Herr Nagel. Wo hielt sich Ihre Freundin
während der Vorstellung auf?«
    »Normalerweise an der Garderobe. Oder sie setzte sich auf
einen freien Platz und hörte zu. Aber das kam selten vor. Fragen Sie ihre
Kolleginnen.«
    »Gab es einen Grund für sie, hierher zu kommen? In Ihr
Zimmer?«
    »Ein Grund, was für ein Grund? Vielleicht wollte sie mir eine
Nachricht hinterlassen. Sie hatte ja noch einen Schlüssel.«
    »Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
    »Kurz vor Beginn der Vorstellung. Um acht, als ich kam. Da
stand sie an der Garderobe, wie immer.«
    Bevor ich etwas erwidern konnte, sprang Nagel auf, wie von
der Tarantel gestochen, und stürzte mit einem Fluch aus dem Raum. Überrascht
folgte ich ihm. Die Rufe der Polizeibeamten missachtend, durchquerte er den
Flur, riss die mittlerweile geschlossene Tür zu seinem Dienstzimmer auf und
trat über die Schwelle.
    »Dreht der jetzt völlig durch?«, rief der Rottweiler. An
seiner Seite sah ich Marc schwitzen.
    »Er braucht seine Herztropfen«, sagte ich. »Ich werde es
Ihrem Chef erklären.«
    Nagel stand vor der Leiche seiner Ex-Freundin, brüllte die
Beamten an und fuchtelte mit den Händen.
    »Sie können sich an allem hier vergreifen«, rief er, »aber
von meinem Notebook lassen Sie die Finger, verstanden?«
    »Hauen Sie ab«, wurde zurückgebrüllt. »Raus hier, und zwar
dalli!«
    »Ich warne Sie! Das ist ungesetzlich. Ich kriege Sie dran
dafür.«
    Aus dem Flur rückte der blonde Kampfhund an. »Soll ich ihn
übernehmen?«, fragte er.
    »Keine Hektik«, sagte der Kommissar mit der ungesunden
Gesichtsfarbe. Er stand mitten im Zimmer, die Hände in den Hosentaschen, und
sah aus, als hätte er sich mit dem Weltuntergang und all dem anderen Gerümpel
um ihn herum längst abgefunden.
    »Ich brauche mein Notebook«, rief Nagel. Er war nicht zu
bremsen. »Das ist mein Arbeitsgerät, und Sie haben kein Recht, es
einzubehalten.«
    »Schon gut«, erwiderte der Kommissar und schickte den
Kampfhund per Handbewegung fort. »Ihr Notebook interessiert uns nicht, Herr
Nagel. Bloß die Fingerabdrücke, die darauf sein könnten.«
    »Welche Fingerabdrücke? Ich habe es vor der Vorstellung hier
abgelegt, und seither …«
    »Eben. Deshalb wird es untersucht. Sein Inhalt ist uns egal.«
    Nagel schluckte nervös. »Dafür haften Sie mir persönlich«,
sagte er und befeuchtete seine Lippen mit der Zungenspitze. »Persönlich,
verstehen Sie? Mein Notebook geht keinen etwas an.«
    »Natürlich nicht«, sagte der Beamte müde und schob ihn sanft
aus dem Raum.
    »Da sind private
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher