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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen
Autoren: John Verdon
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Madeleine beiseite. »Ich schau mal runter und hol mir einen furchtbaren Kaffee. Bin gleich wieder da.«
    Hardwick kam zum Bett und hob eine bandagierte Hand. »Das weißt du wahrscheinlich noch gar nicht. Eine von diesen Scheißkugeln ist durch dich durchgegangen und hat mich erwischt.«
    Gurney betrachtete die Hand, aber die Verletzung war wohl nicht so schlimm. Er erinnerte sich, wie Marian Eliot Hardwick genannt hatte: ein schlaues Rhinozeros. Er fing an zu lachen. Anscheinend war die Dilaudidzufuhr stark gedrosselt worden, denn es tat weh. »Irgendwelche Neuigkeiten, die mich interessieren könnten?«
    »Du hast kein Mitgefühl, Gurney.« In gespielter Betrübtheit schüttelte Hardwick den Kopf. »Ist dir eigentlich klar, dass du Giotto Skard das Rückgrat gebrochen hast?«
    »Als ich ihn die Treppe runtergestoßen habe?«
    »Du hast ihn nicht runter gestoßen . Du bist auf ihm die Stufen runter gefahren wie auf einem Schlitten. Und jetzt sitzt er querschnittgelähmt im Rollstuhl, genau wie du es ihm prophezeit hast. Und da hat er sich wohl Gedanken gemacht über die andere kleine Unannehmlichkeit, die du erwähnt hattest – dass ihm die Mitgefangenen vielleicht gelegentlich ins Gesicht pinkeln könnten. Kurz gesagt, er hat eine Abmachung mit dem Bezirksstaatsanwalt getroffen, damit er bei seiner lebenslänglichen Haft ohne Möglichkeit auf Entlassung nicht mit den normalen Knackis in Berührung kommt.«
    »Was für eine Abmachung?«
    »Er hat uns die Namen der besonderen Kunden von Karnala gegeben. Die Leute, die gern aufs Ganze gehen.«
    »Und?«
    »Einige von den Mädchen, die wir bei diesen Typen gefunden haben, waren noch am Leben.«
    »Das war die Abmachung?«
    »Und er musste den Rest der Organisation hinhängen. Sofort.«
    »Er hat seine anderen zwei Söhne verraten?«
    »Ohne mit der Wimper zu zucken. Giotto Skard kennt keine Sentimentalität.«
    Gurney lächelte angesichts dieser Untertreibung.
    Hardwick fuhr fort. »Aber eins ist mir noch nicht klar. Wenn er in geschäftlichen Dingen so … praktisch war und Leonardo so verrückt, warum hat Giotto ihn nicht sofort umgelegt, als er davon gehört hat, dass Leonardo die Karnala-Kunden per Vertrag aufgefordert hat, die Opfer zu enthaupten?«
    »Ganz einfach. Das Huhn, das goldene Eier legt, bringt man nicht um.«
    »Mit Huhn meinst du Leonardo, alias Dr. Scott Ashton?«
    »Ashton war sehr angesehen in seinem Fach, der Magnet von Mapleshade. Nach seinem Tod hätte die Schule vielleicht geschlossen … Eine sprudelnde Quelle für kranke junge Frauen wäre versiegt.« Gurney fielen kurz die Augen zu. »Das konnte Giotto … nicht riskieren.«
    »Und warum hat er ihn dann doch umgebracht?«
    »Alles aufgelöst … in Rauch aufgegangen. Keine goldenen Eier mehr.«
    »Alles in Ordnung, Kumpel? Du klingst ein bisschen benommen.«
    »Bestens. Ohne goldene Eier … wird das durchgeknallte Huhn … zur Belastung. Schaden und Nutzen. Am Ende … in der Kapelle fand Giotto seinen Sohn nur noch schädlich. Sache ist gekippt … Auf einmal war er tot nützlicher als lebend.«
    Hardwick brummte versonnen. »Wirklich ein praktisch denkender Irrer.«
    »Ja.« Nach längerem Schweigen fragte Gurney: »Hat Giotto sonst noch jemanden hingehängt?«
    »Saul Steck. Zusammen mit ein paar Jungs von NYPD haben wir ihn in dem Sandsteinhaus aufgespürt. Dummerweise hat er sich erschossen, bevor wir bei ihm waren. Aber da gibt’s eine interessante Sache. Ich hab dir doch erzählt, dass er nach seiner Verhaftung wegen mehrfacher Vergewaltigung in einer psychiatrischen Klinik war. Jetzt rate mal, wer der Fachberater für die Therapie von Sexualstraftätern war.«
    »Ashton?«
    »Höchstpersönlich. Wahrscheinlich hat er Saul dabei ziemlich gut kennengelernt und sich gedacht, bei dem Potenzial kann man schon mal eine Ausnahme von der Regel machen, dass in der Organisation der Skards nur Familienmitglieder tätig sein dürfen. Und man muss zugeben, dass der Mann ein echter Menschenkenner war. Hat einen nützlichen psychopathischen Drecksack schon aus einer Meile Entfernung gerochen.«
    »Hast du was über Sauls ›Töchter‹ rausgefunden?«
    »Vielleicht waren das neue Mapleshade-Absolventinnen, die ein Praktikum gemacht haben, wer weiß? Als wir angerückt sind, waren sie weg, und ich wäre ziemlich überrascht, wenn sie wieder auftauchen würden.«
    Für Gurney klangen diese Worte wie ein Beruhigungsversuch, doch selbst in seinem sanften Dilaudid-Dunst konnten sie ihn nicht ganz
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