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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen
Autoren: John Verdon
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sein Ausdruck war nicht kommunikativer – oder menschlicher – als die Pistole in seiner Hand. Wieder gab es nur den Weg nach vorn. »Deswegen sind Sie doch nach dem Drama um Jillian hier aufgetaucht, oder? Dass Leonardo sie umgebracht hat, war eine geschäftliche Notwendigkeit, aber dass er ihr bei der Hochzeit den Kopf abschlägt … das war mehr als bloß Geschäft. Also, vermute ich, sind Sie hergekommen, um das Ganze ein bisschen zu überwachen. Damit das alles wieder geschäftsmäßiger läuft. Sie wollten nicht, dass der verrückte kleine Scheißer alles versaut. Andererseits hatte Leonardo auch Stärken, das muss man ihm lassen. Schlau. Einfallsreich. Nicht wahr?«
    Keine Regung, nur ein totes Starren.
    Gurney fuhr fort. »Sie müssen zugeben, die Idee mit Hector war ziemlich gut. Der perfekte Sündenbock, falls jemand dahinterkommt, dass so viele Mapleshade-Absolventinnen unauffindbar sind. Also taucht der legendäre Hector auf, bevor die ersten Mädchen verschwinden. Da hat Leonardo wirklich Weitblick bewiesen. Eigeninitiative. Einfach gut geplant, das Ganze. Aber die Sache hatte einen Haken: Er war einfach nicht richtig im Kopf. Letztlich blieb Ihnen nichts anderes übrig. Der einzige Ausweg. Krisenmanagement.« Kopfschüttelnd betrachtete Gurney die dunkle Blutlache auf dem Teppich. »Aber das reicht nicht, Giotto. Es ist zu spät.«
    »Was soll der Scheiß?«
    Stumm hielt Gurney den Granitblick des Mannes, ehe er antwortete. »Verschwenden Sie nicht meine Zeit. Ich biete Ihnen einen Deal. Sie haben fünf Minuten, um sich zu entscheiden.« Er glaubte eine kleine Schramme in der Steinwand zu sehen. Ungefähr eine Viertelsekunde lang.
    »Was soll der Scheiß?«
    »Denken Sie nach, Giotto. Es ist vorbei. Die Skards sind erledigt. So gut wie tot. Kapiert? Die Uhr tickt. Hier ist der Deal. Sie überlassen mir die Namen und Adressen von allen Karnala-Kunden, von all den perversen Säcken, mit denen Sie Geschäfte machen. Vor allem will ich die Adressen von noch lebenden Mapleshade-Absolventinnen. Wenn Sie mir das geben, garantiere ich Ihnen, dass Sie die Verhaftung halbwegs unversehrt überstehen.«
    Das Lachen des Alten klang, als würde Stahlwolle über Kies scheuern. »Sie haben wirklich Mumm, Gurney. Sie sind im falschen Geschäft.«
    »Ja, ich weiß. Es sind noch viereinhalb Minuten. Die Zeit bleibt nicht stehen. Wenn Sie meinen, dass Sie mir die Adressen lieber nicht nennen wollen, dann passiert Folgendes: Nach sorgfältiger Planung wird man Sie vorschriftsmäßig festnehmen. Aber dummerweise machen Sie einen Fluchtversuch. Dabei gefährden Sie das Leben eines Polizeibeamten, und es ist unumgänglich, dass auf Sie geschossen wird. Zweimal. Die erste Kugel, ein Neunmillimeter-Hohlspitzgeschoss, bläst Ihnen die Eier weg. Die zweite durchschlägt den Hals zwischen dem ersten und dem zweiten Wirbel und führt zu einer unheilbaren Lähmung. Diese Kombination von Verletzungen macht aus Ihnen einen Sopran im Rollstuhl, der den Rest seines Scheißlebens in einem Gefängniskrankenhaus verbringt. Und sie wird Ihren Mithäftlingen natürlich die Gelegenheit geben, Ihnen jederzeit ins Gesicht zu pissen, wenn sie gerade Lust darauf haben. Okay? Haben Sie den Deal verstanden?«
    Wieder dieses Lachen. Dagegen klang Hardwicks Krächzen wie ein süßes Säuseln. »Weißt du, warum du noch lebst, Gurney? Weil ich gar nicht darauf warten kann, was für einen Scheiß du mir als Nächstes erzählst.«
    Gurney schaute auf die Uhr. »Noch drei Minuten und zwanzig Sekunden.«
    Aus den Lautsprechern drang kein Geschrei mehr, nur noch Stöhnen, abgehacktes Husten, Wimmern.
    »Verdammte Kacke«, knirschte Hardwick. »Verdammte Kacke.«
    Nach einem Blick auf den Monitor wandte sich Gurney mit betonter Klarheit und Gelassenheit an Hardwick. »Für den Fall, dass ich es vergesse, der Türöffner ist in Ashtons Tasche.«
    Hardwick, dem anscheinend dämmerte, was diese Bemerkung bedeutete, schaute ihn seltsam an.
    »Die Zeit läuft ab.« Gurneys Aufmerksamkeit galt wieder Giotto Skard.
    Erneut lachte der Alte. Er ließ sich nicht bluffen. Der Deal war geplatzt.
    Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines Mädchens, halb verdeckt von einer blonden Mähne, voller Angst und Wut, überlebensgroß, hässlich verzerrt durch die Nähe zur Kamera.
    »Du Schwein!« Ihre Stimme überschlug sich. »Du Schwein! Du Schwein! Du Schwein!« Sie bekam einen heftigen Hustenanfall, keuchte, rang nach Luft.
    Hinter einer umgestürzten Bank kam der
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