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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Moment lang den Kick. Nur auf diese Weise konnte er sich stark und überlegen fühlen, verstehst du?«
    »Deswegen hat er sich auch kurze Zeit nach Vios Tod schon sein nächstes Opfer gesucht: mich«, schlussfolgerte ich. »Er wollte dieses Gefühl wiederhaben.«
    Die Kommissarin bestätigte: »Obwohl er bei der Vernehmung behauptet hat, Viktorias Tod nicht gewollt zu haben.«
    Ich biss mir auf die Lippen. »Danke, dass Sie mir das alles erzählt haben«, sagte ich leise.
    Da klopfte es zaghaft. Ein dicker Polizist streckte den Kopf zur Tür herein:
    »Chefin, Sie haben doch für heute eine Besprechung angesetzt. Ich wollte nur melden … wir sind alle vollzählig«, sagte er dienstbeflissen und blickte unsicher zu Boden.
    Als das rote Gesicht des Beamten aus dem Türspalt verschwand, grinste sie mich an. »Den hättest du mal erleben sollen, bevor ich den Mörder gefasst habe«, flüsterte sie verschwörerisch.
    Dann zog sie eine entschuldigende Grimasse: »Jetzt hab ich Sie geduzt, sorry«, meinte sie.
    Ich winkte ab. Stumm lächelten wir uns an. Es gab nichts mehr zu sagen.
    Langsam ging ich nach Hause, durch all die vertrauten Gässchen. Es war ein seltsames Gefühl, seit Langem wieder alleine unterwegs zu sein; ungewohnt, aber wunderbar. Ich brauchte einen Moment, bis mir klar wurde: Zum ersten Mal seit Wochen hatte ich keine Angst. Ich fühlte mich frei.
    Ich wollte gerade in die Straße zu unserem Haus einbiegen, als das schnelle Trappeln von Krallen auf dem Asphalt erklang. Ein hoher Freudenlaut – und eine mächtige schwarzbraune Masse warf sich gegen meine Beine. Jaulen, wedeln, ein Knäuel von Fell, das um mich herumtanzte: Diavolo. Lachend tätschelte ich seinen dicken, samtigen Schädel. »Na, du Held, wo kommst du denn her?«, fragte ich, und Diavolo wand sich hechelnd und in Schlangenlinien um meine Beine, um seine Zuneigung zu bekunden.
    Da fiel mein Blick auf Grover, der hinter seinem Hund auftauchte und mich nun aus sicherer Entfernung musterte.
    »Hi«, sagte ich leise und zögernd kam er näher.
    »Hi Lila. Wie … geht’s dir?«
    Weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, kraulte ich Diavolo hinter den Ohren, der sich prompt auf den Rücken warf und mir seinen nicht gerade sauberen Bauch präsentierte.
    »Er ist und bleibt eben ein Geländemodell«, sagte Grover entschuldigend und wies auf den Hund, der sich begeistert im Dreck wälzte. »Übrigens gehört er jetzt wirklich mir. Meine Eltern haben mir endlich erlaubt, ihn aus dem Tierheim zu holen und zu behalten.« Grovers Augen leuchteten.
    »Cool«, entfuhr es mir.
    »Ja, meine Mutter hat als Kind immer ›Lassie‹ geguckt, und als ich ihr versichert habe, dass sich der hier auch alsLebensretter qualifiziert hat, war’s um sie geschehen«, grinste er.
    Ich holte tief Luft. Obwohl mein Herz nervös pochte, überwand ich mich und blickte Grover direkt an. »Tut mir leid, dass ich dich bei der Polizei angeschwärzt habe«, sagte ich leise. »Aber als du das mit den Gedichten gesagt hast, dachte ich wirklich …«
    »Nein, schon gut. Was hättest du auch anderes glauben sollen«, fiel er mir ins Wort. »Und mir tut’s leid, dass ich deinen Mailaccount geknackt habe. Das war echt Scheiße«, gestand er zerknirscht.
    »Wir könnten uns ja darauf einigen, dass wir jetzt quitt sind?«, schlug ich vorsichtig vor.
    Er nickte wortlos und sah angestrengt an meinem linken Ohr vorbei. Offenbar war ihm die Sache genauso peinlich wie mir.
    Trotzdem musste ich zu Ende bringen, was ich mir vorgenommen hatte. »Ich wollte dich fragen … Also wenn du willst, ich meine …«
    Lila, schalt ich mich selbst gereizt, du klingst wie Daniela Katzenberger. Keine vernünftigen Sätze zustande bringen, aber die Klappe aufreißen. Ich schloss kurz die Augen und riss mich zusammen. »Ich würde … äh, gernemalmitdirKaffeetrinken!«
    Die letzten Worte ratterte ich ohne Punkt und Komma herunter, ich wollte es möglichst fix hinter mir haben.
    Grover sah mich nachdenklich an:
    »Nett von dir Lila, aber … ich glaube, das ist keine so gute Idee«, rückte er raus.
    Mir blieb vor Überraschung die Luft weg. Er gab mir einen Korb? Irgendwas stimmt hier nicht, dachte ich irritiert. War es bisher nicht immer umgekehrt gewesen?
    Grover blickte mich ruhig an. »Ich will nämlich nicht, dass du nur aus schlechtem Gewissen mit mir losziehst. Weil du glaubst, irgendwie verpflichtet zu sein, oder so«, fuhr er fort.
    Jetzt hatte er mich doch ein kleines bisschen ertappt. Kein
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