Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz
Autoren: Heike Eva Schmidt
Vom Netzwerk:
ausdrückte. Ich glaube, damit rechtfertigte sie sich auch ein bisschen vor sich selbst, ehe sie damit rausrückte.
    Die Polizei hatte tatsächlich Vios verschwundenen Laptop in Schäfers Zimmer gefunden. Noch in derselben Nacht, in der er Vio getötet hatte, stieg er durch das Fenster ein, das Vio bei ihrer heimlichen Flucht zur Schulparty offen gelassen hatte, und nahm ihren Laptop mit. Er hatte sie schon mal gestalkt – und sah sie an jenem Abend aus dem Fenster klettern. Er war es auch, der ihr schülerVZ-Profil löschte – kurz nachdem er Vio unter dem Schlehenbaum vergraben hatte. Eine DNA-Analyse hatte zudem ergeben, dass es sich bei ihm auch um den Vergewaltiger des Mädchens aus dem Nachbarort handelte.
    Damals hatte er das erste Mal das Internet als »Jagdrevier« genutzt. Die Vierzehnjährige war ihm durch ihr Foto bei schülerVZ aufgefallen. Um Zugang zu dem Forum zu erhalten, hatte der Schäfer sich illegal eine Einladung ins Forum erschlichen und betrieb damit einen sogenannten »Crawler«. Mithilfe von Rainbow-Tables konnte er dann auf Passwörter einen Bruteforce-Angriff starten.
    »Das ist ein Verfahren, das systematisch alle möglichen Kombinationen durchprobiert, um die Verschlüsselungen zu knacken. Wahrscheinlich hat Schäfer bei schülerVZ jemand gefunden, der ein zu simples Passwort hatte und dieses dann geknackt«, erklärte die Kommissarin.
    Damit hatte er also Einblick in die Daten der schülerVZ-Nutzer und konnte sich seine Opfer aussuchen. Er gab sich einfach als Schüler aus und begann mit seinem späteren Opfer zu mailen.
    Nach und nach hatte er sich geschickt ihr Vertrauen erschlichen und herausbekommen, wohin sie einmal in der Woche zum Klavierunterricht ging. Sie danach auszuspionieren und ihr schließlich aufzulauern war für ihn ein Leichtes gewesen.
    Auf Vios Laptop fand die Polizei mehrere Mails mit Gedichten von Else Lasker-Schüler, die sie in einem separaten Ordner aufbewahrt hatte. Der Absender nannte sich »Blauer Reiter«.
    Einige von den Versen waren dieselben, die ich später von ihm bekommen hatte. Gegenüber Vio hatte Schäfer so getan, als sei er neunzehn und würde in einer Band spielen.
    Wie er der Polizei gestand, war ihm Vio aufgefallen, als sie ein paar Mal am Schulkiosk eingekauft hatte. Er hörte, wie ich sie »Vio« nannte und fahndete in schülerVZ gezielt nach ihrem Profil. Als er fündig wurde, tarnte er sich als »Blauer Reiter«, um mit ihr zu chatten – und traf bei Vio mit ihrer Vorliebe für die Künstlergruppe prompt ins Schwarze. Als sie eines Tages mit französischem Akzent ein Croissant von ihm verlangte, bildete er sich offenbar ein, sie würde ihn anbaggern. An diesem Tag folgte er ihr zum ersten Mal bis vor ihre Wohnung und beobachtete sie den ganzen Abend von draußen durchs Fenster.
    Am nächsten Tag erwähnte Vio offenbar auch in einer Mail an »Blauer Reiter« die Schulparty, zu der sie gehen wollte. Prompt lag Schäfer an diesem Abend vor ihrem Zuhause auf der Lauer und sah Vio aus dem Fenster steigen. Heimlich folgte er ihr, aber als sie vor meiner Terrassentür stand, haute er ab.
    Er hoffte jedoch, Vio später auf dem Schulhof abpassen zu können. Vielleicht würde sie ja mal draußen eine rauchen. Weil er sich nicht zur Fete traute, lungerte er in einer dunklen Ecke des Schulflurs herum. Um Mitternachtsah er Vio aus der Turnhalle kommen. Doch statt zum Ausgang lief sie die Treppe hoch in den ersten Stock und knackte dort das Schloss zum Aufenthaltsraum. Offenbar wollte sie tatsächlich dort übernachten, um ihrer Mutter einen Schrecken einzujagen. Schäfer schlich ihr nach und gab sich als ihr Chatpartner zu erkennen. Als Vio sah, wer sich in Wirklichkeit hinter »Blauer Reiter« verbarg, fühlte sie sich hintergangen und verspottete den unscheinbaren Andreas Schäfer. Es kam zum Streit und Vio musste sterben.
    Schäfer floh – aber nicht weit. Im Gebüsch hinter dem Schulparkplatz wartete er, bis der letzte Schüler die Party verlassen und der Hausmeister seinen Kontrollgang gemacht hatte. Schäfer vermutete, dass der Hauswart kaum in den ersten Stock gehen und einen Blick in den üblicherweise abgesperrten Aufenthaltsraum werfen würde. Er hatte recht: Der ältere Mann überprüfte nur die Turnhalle und die Toiletten im Erdgeschoss, ehe er die Eingangstür absperrte und nach Hause ging.
    Vios Mörder konnte ungesehen zurückkehren. Wegen versperrten Türen machte sich Schäfer keine Sorgen, als Kioskverkäufer besaß er einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher