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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Lieferwagen, an dessen Seite stand: »Bäcker Ecker: Mach mal Pause – mit unserer Jause.«

    Unter dem gnadenlosen Druck um meine Kehle wurde die Luft zum Atmen immer knapper. Schwindel befiel mich und meine Gedanken wurden träge und schwer wie klebriger Honig. Vor meinen Augen tanzten purpurne Schlieren wie Öl auf Meereswellen. Verschwommen dachte ich, dass ich nun wohl sterben musste und meine Eltern und meinen kleinen Bruder nie wiedersehen würde. Dieser Gedanke machte mich traurig, gleichzeitig dachte ich jedoch, es wäre irgendwie in Ordnung. Denn ich wäre ja bald da, wo Vio schon war und auf mich wartete. Und dann würde uns nichts mehr trennen.
    Ob der purpurrote Nebel, der hinter meinen geschlossenen Augenlidern waberte, schon der Eingang zu dem Tunnel aus Licht war, an dessen Ende ich Vio finden würde?
    Mühsam öffnete ich die Augen. Doch was ich sah, warnicht meine beste Freundin, sondern das grünbraune Gras zu meinen Füßen. Und dort, in geradezu unnatürlicher Schärfe, erblickte ich im Herbstsonnenlicht einen Strauch mit einer letzten, wilden Rose. Ihr Rot leuchtete wie Vios Haare. Und ich meinte ihre Stimme zu hören: »Für dich ist es noch nicht Zeit, Lila!«
    Und auf einmal wollte ich Vio gar nicht mehr dorthin folgen. Ich hatte noch so viel vor, wollte noch so viel sehen … da war Paris, wollte ich nicht an die Sorbonne …?
    Obwohl der Druck um meinen Hals immer stärker wurde und ich nun überhaupt nicht mehr atmen konnte, verspürte ich in diesem Augenblick eine ungeheure Wut auf den Mann, der mir das alles antat. Er hatte mir schon Vio weggenommen, mich würde er nicht kriegen!
    Mit letzter Kraft hob ich die Hände und streckte meine Finger aus. Blindlings stieß ich sie nach hinten, dort, wo sich das Gesicht des Mörders befinden musste. Es steckte keine Logik dahinter, es war der pure Instinkt. Der Drang, am Leben zu bleiben. Meine Fingerkuppen trafen auf etwas Weiches. Ein Schrei, dumpf wie das Brüllen eines verletzten Stiers. Plötzlich strömte klare, kühle Luft in meine Lungen. Gierig saugte ich sie ein, als wäre ich kurz vorm Ertrinken gewesen und in letzter Sekunde an die Oberfläche getaucht.
    Mein Kopf wurde klarer, und ich merkte, dass sich der Druck um meine Kehle gelöst hatte. Schäfer zerrte nicht mehr an dem Schal, sondern hatte sich die Hände vors Gesicht geschlagen und war stöhnend ein paar Schritte zurückgetaumelt. Offenbar hatten meine Finger seine Augen getroffen. Gekrümmt stand er da, undeutliche Flüche drangen an meine Ohren.
    Weg!, war mein einziger Gedanke. Und obwohl ich immer noch nach Luft rang und mein Hals trocken war und kratzte, als hätte ich mit Schmirgelpapier gegurgelt, lief ich los.

    Die Kommissarin hatte einen Vorsprung, weil Grover erst den Hund aus dem Auto lassen musste.
    Als er außer Atem die Loisachkapelle erreichte, hörte er von drinnen ein Mädchen schreien, während die Kommissarin vergeblich an der Klinke rüttelte: Die hölzerne Tür war versperrt, der Schlüssel fehlte.
    »Lila«, schrie Grover und Diavolo begann zu bellen. Da hörte er von innen eine helle Stimme rufen: »Der Verkäufer vom Schulkiosk ist hinter ihr her! Er will sie umbringen! Und mich auch!«

    Das Atmen fiel mir immer noch schwer und mein Laufen war eher ein Vorwärtstaumeln. Doch ich wusste, ich musste dem Mörder entkommen, sonst war ich tot. Ich hörte nur mein eigenes Keuchen und hoffte schon, ich wäre ihn los – als mich etwas Schweres von hinten traf. Ich strauchelte und fiel auf die Knie. Und dann war er da. Andreas Schäfer stand über mir und grinste verzerrt zu mir herab. Meine Kehle war wund und brannte. Ich konnte nicht einmal mehr schreien.

    Grover sah sich hektisch um und hörte die Kommissarin rufen: »Wo ist Elina?«
    Die hügelige Landschaft und die vielen Büsche erschwerten die Sicht. Doch dann sah er eine Bewegung zwischen den Sträuchern: Eine schlanke Gestalt tauchte auf: Lila. Doch sie kam nur stolpernd voran – und dann erschien hinter ihr eine zweite Silhouette: größer, massigerund schneller. Noch ein paar Sekunden und ihr Verfolger würde Lila erreicht haben.
    »Verdammt«, schrie die Kommissarin und sprintete los. Doch schon warf der Mann sich über Lila. Sie stürzte zu Boden. Bis Grover und die Kommissarin die beiden erreicht hätten, war es vielleicht zu spät.
    Da fegte ein schwarzer Schatten heran. Diavolo war losgerannt und hielt direkt auf die beiden Gestalten, die jetzt am Boden miteinander rangen, zu.
    »Diavolo,
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